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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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für die Geschichte von der Dame mit ihren vier Rittern gefunden. Sie kämpften gemeinsam unerbittlich bei einem Turnier, um der Geliebten zu gefallen. Schließlich blieb nur noch einer am Leben, der der Dame nicht mehr beiliegen konnte, sie aber weiterhin verehrte. Dies würde Emma und Isabelle gefallen, obwohl die Wirklichkeit vielleicht anders aussah, denn sie waren seit jener Nacht nicht mehr gekommen, um sich weitere Liebesbriefe vorlesen zu lassen.
    »Marie!«, vernahm sie Hawisas Stimme so unerwartet in ihrem Rücken, dass sie erschrocken zusammenfuhr. Die Zofe hielt eine kleine Holzschachtel in ihren Händen.
    »Kaum wage ich mich in die Palastgänge, da werde ich sofort von irgendwelchen Männern aufgehalten, die wollen, dass ich etwas überbringe oder ausrichte. Fast könnte ich neidisch werden, wie umschwärmt du bist«, meinte sie mit einem spöttischen Grinsen. Marie war nicht zum Lachen zumute, denn sie fand diese ständigen Bittsteller allmählich lästig. Während sie zunächst nur die Aufmerksamkeit der Königin auf hoffnungsvolle Dichter und Sänger hatte lenken sollen, kam nun auch die Gräfin de Champagne hinzu. Ein einziges Mal hatte Marie sich erweichen lassen. Ein junger Geistlicher namens André schwärmte von seinem Vorsatz, ähnlich wie Ovid ein Buch über die Liebe zu verfassen, das unflätigen Rittern oder unreifen Jünglingen den angemessenen Umgang mit höfischen Damen erklären sollte. Da die Gräfin bereits häufig geäußert hatte, wie notwendig die richtige Erziehung im Sinne der fin amor und des Dienstes an der Dame sei, damit an fürstlichen Höfen angemessenes Benehmen herrschte, brachte Marie den jungen Mann am nächsten Nachmittag ins Gemach von Aliénors Tochter. Er fand tatsächlich Gehör und hing seitdem unermüdlich an den Schleppen der Gräfin.

    Aber er sollte eine Ausnahme bleiben, hatte sie beschlossen.
    »Hier, das soll ich dir geben«, sagte Hawisa und hielt ihr die Schachtel hin. »Von einem überaus hübschen jungen Ritter, den du aus unverständlichen Gründen mit Verachtung strafst.«
    Marie seufzte. Sie hatte niemals damit gerechnet, dass Jean sich so hartnäckig zeigen würde. In den ersten Wochen nach ihrer sehr innigen Begegnung waren ständig Briefe in ihr Gemach geschmuggelt worden. Er bat um ein Wiedersehen, entschuldigte sich, sie vielleicht zu sehr bedrängt zu haben, verlangte schließlich nur eine Erklärung für ihr Schweigen. Dann war er mit den anderen Rittern losgezogen, um im Umland an Turnieren teilzunehmen. Marie hielt die Angelegenheit für erledigt, auch wenn sie darüber nicht so erleichtert war, wie sie gehofft hatte. Doch nachdem heftige Regenfälle begonnen hatten, waren Richards Ritter nach Poitiers zurückgekehrt, und wieder trafen Botschaften von Jean ein, wenn auch weniger dringlich und in größeren Abständen.
    »Gib es zurück. Ich will es nicht«, sagte sie entschlossen und ärgerte sich, dass ihr Herzschlag heftiger geworden war. Obwohl sie es beschämend fand, war sie dennoch ein wenig geschmeichelt, wie sehr der hübsche Ritter sich um sie bemühte.
    »Aber sieh doch wenigstens hinein! Bist du denn gar nicht neugierig?«, drängte Hawisa. Marie öffnete die Schachtel. Eine Kette aus ebenmäßig geformtem Bernsteinschmuck lag darin. Sie konnte dem Drang nicht widerstehen, die braunen Perlen durch ihre Finger gleiten zu lassen. Diese zarte Schlichtheit gefiel ihr, entsprach ihrem Äußeren. Jean musste ihren Geschmack schnell erkannt haben.
    Entschlossen ließ sie die Kette wieder in die Schachtel fallen.

    »Gib es ihm zurück. Er bekommt nicht viel Sold und sollte sparsamer damit umgehen.«
    Hawisa kicherte.
    »Das klingt, als würdest du dir Sorgen um ihn machen.«
    Verärgert schüttelte Marie den Kopf.
    »Ich hasse sinnlose Verschwendung. Ich will diesen Ritter nicht sehen, das soll er endlich begreifen«, sagte sie und richtete ihren Blick wieder auf die gerade geschriebenen Zeilen.
    Hawisa nahm die Schachtel an sich, schien aber nicht willens zu gehen.
    »Warum bist du so, Marie?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Wie bin ich denn?«
    »So kalt. So unnahbar. Früher warst du es nicht, aber seit dieser Ehe mit der walisischen Missgeburt …«
    »Er war ein schwer verletzter, kranker Mann. Und ich will nicht an ihn erinnert werden!«, rief Marie lauter als beabsichtigt. In ihrem Inneren brodelte es. Sie wusste nicht, warum. Hawisa war der letzte Mensch, den sie anschreien wollte.
    »Aber vergessen kannst du ihn auch nicht.«

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