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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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So leicht war ihre Zofe nicht einzuschüchtern. »Du bräuchtest ein bisschen Ablenkung. Einen Mann, der dir zeigt, wie schön die Liebe sein kann.«
    Marie legte den Federkiel beiseite. Hawisa wollte einfach keine Ruhe geben.
    »Du hast selbst zu mir gesagt, dass ich auf meinen Ruf achten und niemandem die Gelegenheit zu Verleumdungen geben darf«, erinnerte sie.
    »Aber das heißt doch nicht, dass du dir kein Vergnügen gönnen darfst. Du musst nur vorsichtig sein, wie viele andere Damen. Ein wenig vorsichtiger als Isabelle de Vermandois, über die schon überall getuschelt wird. Angeblich wechselt sie ihre Liebhaber häufiger als ihre Bliauts.«

    Hawisa kicherte erneut. Wieder wallte unterdrückter Zorn in Marie auf. Sie hasste es, zu Falschheit und Verstellung gedrängt zu werden.
    »Was ist so verkehrt daran, keusch zu leben? Die Kirche nennt es das höchste Gut.«
    »Dazu ist Zeit genug, wenn wir alt und hässlich sind.«
    »Hässlich bin ich jetzt schon.«
    Hawisa schlug mit der Hand auf den Tisch.
    »Du bist nicht hässlich, verflucht! Sieh doch in den Spiegel. Du hast schönes Haar und ein feines, kluges Gesicht. Auch wenn dir nicht alle hinterherstarren wie der hochnäsigen Emma oder der flatterhaften Isabelle, hast du andere Dinge zu bieten. Du bist ein liebenswerter Mensch. Ein Mann, der das erkannt hat, könnte dir helfen, dich endlich selbst ein bisschen mehr zu schätzen.«
    Plötzlich fühlte Marie ein Würgen in ihrer Kehle. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und zwängte Tränen zurück.
    »Dieser Ritter hat mir die Liebe schon gezeigt«, flüsterte sie, fassungslos, wie sehr dieses Erlebnis ihr nach vielen Monaten noch zusetzen konnte. »Und dann merkte ich, wie vielen anderen Frauen er sie ebenfalls zeigte.«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Plötzlich tat es wohl, darüber gesprochen zu haben, auch wenn sie sich für ihre Leichtgläubigkeit schämte. Hawisa legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter, dann drängte sie Marie, alles zu erzählen, und sie spürte geradezu, wie eine Last von ihr fiel. Hawisa lauschte aufmerksam, doch schien sie keineswegs so empört, wie Marie dies erwartet hatte. Ein nachsichtiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
    »Du bist sehr streng«, meinte sie kopfschüttelnd. »Viele Männer suchen eine Weile, bis sie die Richtige finden.«
    »Aber warum sollte ich die Richtige sein? Außerdem belog er mich. Er sagte, er wäre kurz vorher mit einem Freund in
dem Zimmer gewesen, aber dieser Freund war eine schwarzhaarige …«
    »Das Haar hätte durchaus von mir stammen können«, fiel Hawisa ihr ins Wort. Marie erstarrte. Plötzlich hatte sie den Wunsch, ihre Zofe zu schlagen.
    »Du hast es mit ihm getrieben!«, schrie sie aus Leibeskräften. »Und dann bringst du mir seine Briefe und Geschenke und drängst mich zu einem Treffen mit deinem abgelegten Liebhaber! Was soll das? Du willst ihn mir als Almosen ausleihen, damit auch eine mausige Kreatur wie ich ein wenig Vergnügen hat!«
    Hawisa ließ Maries Brüllen geduldig über sich ergehen und brachte ihr dann einen Becher Honigwasser.
    »Jetzt beruhige dich erst einmal. Und schreie nicht so, denn man kann es bis in den Gang hören.«
    Sie zog den zweiten Stuhl heran und setzte sich.
    »Ich war in dem Zimmer, das bei Hofe so eine Art offenes Geheimnis ist, auch wenn du das nicht mitbekommen hast. Viele der Dienstmägde, Knechte und einfachen Ritter benutzen es. Wir haben keine eigenen Gemächer, wo wir ungestört sein können. Ich wollte nicht in deinem Bett … Du verstehst schon. Aber es war nicht mit Jean. Das schwöre ich bei der Heiligen Jungfrau.«
    Marie atmete tief durch. Langsam bekamen diese Worte einen Sinn, auch wenn ein Schwören auf Jungfrauen nicht angebracht schien. Sie musterte Hawisa aufmerksam. Ihre Zofe hatte sich am lebenslustigen Hof von Poitiers verändert, war noch etwas hübscher und weitaus selbstsicherer geworden. Statt ständig auf der Hut vor unerwünschter Zudringlichkeit zu sein, bewegte sie sich mit der Beschwingtheit einer Frau, die es genoss zu gefallen.
    »Du hast wieder einen Liebhaber«, stellte Marie fest. Hawisa nickte ohne jedes Zeichen von Scham.

    »Zunächst waren es mehrere. In letzter Zeit gefällt mir nur einer. Wenn der richtige Mann kommt, dann werde ich heiraten, Kinder gebären und treu sein. Aber bis dahin …«
    Sie zuckte mit dem Schultern.
    »Was ist, wenn du schwanger wirst?«, mahnte Marie.
    »Das werde ich nicht so schnell. Diese alte Waliserin,

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