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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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konnte ein gütiger Gott ein solches Opfer verlangen? Sie schrie auf, lief los und ergriff Richards Handgelenk. Zwar musste allein in seinen Fingern mehr Kraft stecken als in ihrem Arm, doch sorgte die Überraschung dafür, dass er die Peitsche tatsächlich fallen ließ.
    »Hört auf damit, ich flehe Euch an«, rief Marie. Alais stand regungslos wie eine Statue hinter ihr.
    »Vielleicht sollten wir gehen, Ma Dame Marie«, flüsterte sie, aber Marie wich nicht von der Stelle. Richard drehte sich langsam zu ihr um.
    »Geht weg! Verschwindet!«, stieß er heiser hervor. Das rasche Trippeln von Schritten machte klar, dass Alais ihm auf der Stelle gehorchte.
    »Warum tut Ihr das, Sire?«, fragte Marie beharrlich. »Dadurch wird doch nichts besser.«
    Richard baute sich mit abweisendem Blick vor ihr auf.
    »Ich bin ein Sünder. Ich muss büßen.«
    »Aber Ihr habt bereits gebüßt, indem Ihr Euch von einem Menschen trennen musstet, der Euch wichtig war. Das sollte Strafe genug sein. Versucht Euch abzulenken und tut Dinge, die Euch Freude bereiten.«
    Richard wich zurück, als flößten diese Worte ihm Schrecken ein.
    »Ich bin verdorben. Meine ganze Familie ist es. Wir stammen vom Teufel ab und werden zu ihm zurückkehren«, sagte er kalt und begann plötzlich, schallend zu lachen. Maries Inneres zog sich zusammen. Richards Geist schien ihr in diesem Moment so verwirrt wie der jenes Bettlers, der auf dem
Marktplatz mit lauter Stimme an niemand Bestimmten gerichtete konfuse Reden führte.
    »Ich habe diese Geschichte über die teuflische Gemahlin eines Eurer Vorfahren schon gehört. Sie vermochte keine Kirche zu betreten, und als sie dazu gezwungen wurde, löste sie sich in Rauch auf«, begann sie so gleichmütig wie möglich. »Es ist nur eine Legende. Ich selbst liebe Legenden, aber man muss ihnen nicht immer Glauben schenken.«
    Richard lachte nochmals, nun etwas leiser. Das fiebrige Glänzen schwand allmählich aus seinen Augen, als er weitersprach: »Ich werde bald schon gegen meinen Vater kämpfen. Und ich tue es gern, weil ich ihn hasse. Das allein ist doch bereits verdorben.«
    Marie seufzte.
    »Es ist Politik. Ein Kampf um Macht«, entgegnete sie. Im Grunde war es hauptsächlich Aliénors Plan. Plötzlich verspürte sie den dringlichen Wunsch, Richard Trost zu spenden. Hinter der stolzen Fassade des großartigen Schwertkämpfers verbarg sich ein verwirrter, unglücklicher Junge.
    »Ganz gleich, was ihr und dieser Meir getan habt, es geschah aus Liebe. Viele Menschen, die Euch verurteilen würden, frönten der Lust aus anderen, niederen Gründen. Ich vermag nicht zu glauben, dass Gott der Herr Euer Tun wirklich verabscheuen könnte, da er doch ein Gott der Liebe ist«, fasste sie jene Empfindungen in Worte, die sie beschäftigt hatten, seit sie heimliche Zeugin der Sünde zwischen Guy und dem walisischen Barden gewesen war.
    Wieder blitzte es in Richards Augen. Zunächst hoffte sie, es könnte Freude sein, doch dann sah sie seine ganze Miene im Zorn erstarren.
    »Solches Gerede ist sündig! Du willst mich verderben, Marie, vom rechten Weg abbringen, wie es die Art der Frauen ist, Männer in Versuchung zu führen«, schrie er mit einer
ihr völlig fremden, schrillen Stimme. Sie wollte verärgert entgegnen, dass seine Mutter, auf die er gewöhnlich hörte, ebenfalls eine Frau war, da spürte sie plötzlich den eisernen Griff des Schwertkämpfers an ihren Schultern, wurde hochgerissen, geschüttelt und zu Boden geschleudert wie damals bei Cadell. Sie rollte zur Seite, um Tritten auszuweichen, schützte entsetzt ihr Gesicht mit den Händen. War Alais so bereitwillig aus dem Raum geschlichen, weil sie derartige Ausbrüche bei Richard bereits kannte?
    Der Angriff hörte so plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Richard stand regungslos über Marie gebeugt. Tränen überschwemmten seine Augen.
    »Mein Gott, was habe ich getan?«, murmelte er, mehr an sich selbst denn an sie gewandt. »Was ist nur in mich gefahren?«
    Er streckte die Hände aus, um sie aufzuheben, aber Marie wich vor ihm zurück. Mühsam kam sie auf die Beine und strich ihr Gewand glatt. Stechende Schmerzen fuhren durch ihren Rücken und ihre rechte Hüfte. Sie war schlagender Männer so überdrüssig! Doch konnte sie sich wenigstens bewegen, hatte wohl nur ein paar Prellungen abbekommen, die sich mit der Zeit grün und blau verfärben würden.
    »Es tut mir leid, Marie.« Richard stand mit gesenktem Kopf vor ihr wie ein schuldbewusster Junge. »Ich wollte

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