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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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aus.
    »Seid Ihr unter die Frömmler gegangen, Sire? Die Schläge, die Ihr aus Buße für den Tod von Thomas Becket hinnehmen musstet, scheinen Euch eine wahre Lehre gewesen zu sein. Oder ist es dieses reizende Mädchen aus dem Kloster, das Euch durch Zeichen seiner Keuschheit beeinflusst?«
    Henris Gesichtsfarbe wurde schlagartig scharlachrot. Er schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass Marie fürchtete, dieses Möbelstück würde den Angriff eines zornigen Monarchen nicht überdauern.
    »Schweigt und spottet nicht über eine Frau, die Ihr nicht kennt«, donnerte Henris Stimme durch das Gemach. Dann fuhr er etwas ruhiger fort: »Hier geht es um Richard. Ich habe Euch gestattet, ihn zum Herzog von Aquitanien zu machen, ohne seine wahre Natur zu kennen. Nun zweifle ich, ob diese Entscheidung richtig war.«
    Aliénors Miene wirkte plötzlich wie versteinert.
    »Er ist der Nachfolger meiner Ländereien. Ich habe mich für ihn entschieden. Ihr braucht Euch darüber nicht den Kopf zu zerbrechen. Überlasst es mir.«
    Marie überkam eine ungute Ahnung, als Henri sich gelassen zurücklehnte und plötzlich sehr leise zu sprechen begann.
    »Ihr täuscht Euch, Ma Dame. Aquitanien ist Teil meines Reiches. Richard ist als Herzog über diese Länder nichts weiter als mein Vasall. Ich kann ihn entmachten und durch einen besseren Mann ersetzen, wann immer es mir beliebt.«
    Marie wurde beinahe schwindlig. Hatte ein König tatsächlich all diese Rechte? Aber ihr war klar, dass Henri sich
durchsetzen würde, falls er es wollte. Aliénor war aufgestanden und füllte den Raum wie die Statue einer heidnischen Göttin.
    »Vor vielen Jahren kamen wir zusammen und bauten gemeinsam ein großes Reich auf«, begann sie. »Nun habt Ihr diesen Bund gebrochen. Ich nahm es hin, wollte nur wiederhaben, was ich Euch einst geschenkt hatte. Aquitanien ist mein, denn in meiner Heimat behält eine Ehefrau das Recht auf ihre Ländereien.«
    »Und in meiner tut sie es nicht. Ihr habt einen normannischen König geheiratet und unterliegt nun den Gesetzen der Normandie. Glaubt mir, Ma Dame, allein Eure Ländereien hindern mich daran, den Papst um eine Auflösung dieser Ehe zu bitten. Ansonsten würde ich ein Geschöpf, dessen Seele reiner ist, als Ihr es Euch nur vorzustellen vermögt, von der Qual befreien, aus reiner Liebe zu mir eine Sünderin zu sein.«
    Jeder Spott war aus Henris Stimme verschwunden. Marie staunte, wie bewegt und gerührt er klang, sobald von Rosamond die Rede war. Aliénor wandte sich zur Tür.
    »Ihr habt sehr deutlich gesprochen, mein Gemahl«, erwiderte sie mit leicht brüchiger Stimme. »Nun gibt es kaum etwas, das wir uns noch zu sagen hätten. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
    Sie winkte. Marie und Emma erhoben sich gehorsam, um ihr zu folgen. Die Tür fiel hinter ihnen zu. Aliénors Schritte waren schnell und hallten durch den Gang. Marie holte sie ein, wagte aber nicht, ihre Königin zu berühren.
    »Du wirst mich kennenlernen, Henri«, hörte sie Aliénor murmeln. »Ich schwöre bei Gott, du wirst mich kennenlernen.«
    In den graublauen Augen schwammen Tränen. Marie fragte zaghaft, ob ihre Gegenwart weiter erwünscht war. Als
Aliénor energisch den Kopf schüttelte, brach sie auf, um sich an der verabredeten Stelle in einem der Innenhöfe mit Jean zu treffen. Ihr Herz raste. Als sie das Gesicht ihres Geliebten im Mondschein erblickte, lief sie nur auf ihn zu und stürzte in seine Arme. Warum tat es auf einmal so weh, zu dieser Familie zu gehören?
    »Was ist denn geschehen, Marie?«, fragte Jean sanft, während er ihr Haar streichelte. Sie schluckte alle Worte, die auf ihrer Zunge lagen, denn sie hatte Aliénor Verschwiegenheit versprochen.
    »Krieg«, flüsterte sie nur. »Es wird Krieg geben.« Jean drückte sie an sich.
    »Dann bekomme ich hoffentlich Land, und wir werden für immer zusammen sein«, meinte er, ohne weiter nachzufragen. Maries Atem wurde ruhiger. Vielleicht wäre dieser hässliche Streit tatsächlich der Auslöser für ihr Glück. Aliénor oder Richard vermochte sie ohnehin nicht zu helfen.

9. Kapitel
    A ls die Tage wieder wärmer wurden, gestattete die Königin Marie und Jean, ihre gemeinsame Tochter zu besuchen und das Osterfest auf dem Hof von Jeans Eltern zu verbringen. Marie freute sich, dass Amélie bei bester Gesundheit war und bereits ihre ersten Schritte laufen konnte. Doch sobald sie auf schwankenden Beinchen loslief, schlug sie stets den Weg zu ihrer Großmutter ein, die sie mit

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