Die Dichterin von Aquitanien
dich nicht verletzen, doch deine Worte gefielen mir nicht.«
Marie trat zur Tür.
»Ihr habt Euer Missfallen sehr deutlich gemacht, Sire«, erwiderte sie kühl.
»Es tut mir leid«, wiederholte Richard. »Aber ich werde Buße tun für alle Schuld, die ich auf mich geladen habe. Eines Tages werde ich ein Kämpfer Gottes im Heiligen Land sein. Sobald die richtige Zeit gekommen ist, reise ich nach Outremer, so wie einst meine Mutter.«
Sein Gesicht hatte sich entspannt, als er diese Worte aussprach. Nun glich er wieder dem gefassten, erhabenen Jüngling, den Marie bisher in ihm gesehen hatte. Sie öffnete die Tür, um den Raum zu verlassen. Falls Richard dieses Verhalten ungebührlich fand, so äußerte er kein Missfallen, sondern ließ sie einfach gehen.
Marie schlich durch den Gang. Der Schmerz schwand langsam, aber der Schreck saß ihr noch in den Knochen.
Richard konnte reisen, wohin er wollte, aber sich selbst würde er nicht entkommen.
Jean und Hawisa saßen am Tisch beim Würfelspiel, als Marie eintrat.
»Was ist denn los? Du machst ein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen?«, rief Hawisa verblüfft. Jean sprang auf.
»Hat dir jemand etwas getan, Marie? Du musst mir sagen, wer es war, ich schwöre, ich werde …«
»Es ist schon gut. Mir ist nichts Schlimmes geschehen«, erwiderte Marie. Dann sank sie auf einen Stuhl und rieb sich die Schläfen. Sie fürchtete, Jean könnte eine Dummheit begehen, wenn sie ihm den ganzen Vorfall beschrieb, doch drängte es sie, sich die Last von der Seele zu reden.
»Es ist … Es ist … Richard«, begann sie schließlich. »Er hat mir nichts getan, aber ich glaube, etwas quält ihn so sehr, dass es ihn manchmal gefährlich macht. Ich habe ihn stets für einen edelmütigen jungen Mann gehalten, aber als ich etwas sagte, was ihm missfiel, sah er auf einmal noch bedrohlicher aus als sein Vater bei seinen Wutanfällen.«
Sie rechnete mit Staunen und Widerspruch, doch er blieb aus. Hawisa nickte. Jean räusperte sich.
»Auf der Rückreise aus Chinon«, begann er leise, »bat Richard einige Ritter, ihn in ein Bordell zu führen. Sein Wunsch wurde erfüllt.«
Marie verstand. Richard hatte sich beweisen wollen, dass er ein Mann sein konnte, wie sein Vater es erwartete.
»Und?«, fragte sie mit einem unguten Gefühl.
»Und das Mädchen, mit dem er in einer schmutzigen Kammer verschwand, hatte Blut und Schwellungen im Gesicht, als es wieder herauskam. Die Ritter fanden das nicht weiter schlimm, denn schließlich war es nur eine kleine Hure. Richard jedoch schien beschämt. Er versprach dem Mädchen, dass er im Falle einer Schwangerschaft das Kind anerkennen würde. Dabei kann er bei einer Hure nicht einmal wissen, ob es wirklich seines wäre«, beendete Jean die Geschichte.
»Vielleicht ist es seine Art der Reue«, warf Hawisa ein. »Als Mutter eines anerkannten herzoglichen Bastards hätte das Mädchen bis an sein Lebensende ausgesorgt. Ich könnte wetten, dass die Kleine alles daransetzen wird, schnell schwanger zu werden, falls sie es nicht schon ist.«
Marie senkte den Blick. Sie hatte Richard stets gemocht, vor allem, nachdem er Jean bei dem Turnier zu Hilfe gekommen war. Doch Aliénors Lieblingssohn war nicht, wofür sie ihn gehalten hatte. Etwas Übles brodelte in ihm, auch wenn er es zu bekämpfen versuchte und alles Unrecht, das er tat, auf irgendeine Art wiedergutmachen wollte.
»Ist dieser unbeherrschte Junge der Dienstherr, für den du kämpfen willst?«, fragte sie Jean. Er nickte nur.
»Richard ist nicht schlimmer als andere. In vieler Hinsicht ist er sogar besser.«
Dem konnte Marie nicht widersprechen. Richard empfand wenigstens Reue, auch wenn er für sie kein strahlender Held mehr war. Jean schien diese Enttäuschung auf ihrem Gesicht zu lesen, denn er streckte seine Hand nach ihr aus.
»Ich will vor allem unser Lehen, Marie. Durch Richard kann ich es bekommen. Und deshalb werde ich in den
nächsten Tagen mit ihm nach Paris aufbrechen. Dort werden die Angriffe gegen Henri geplant.«
Marie wurde kalt. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, in welcher Lage sie sich alle befanden.
»Ich komme mit dir«, rief sie sogleich.
»Die Königin wird dich in Poitiers behalten wollen«, mischte Hawisa sich ein. »Sie hängt an dir.«
Marie schüttelte trotzig den Kopf. Sie war diese Familie leid, wollte nur noch an Jeans Seite bleiben.
»Es soll unsere letzte längere Trennung sein«, beharrte er. »Wenn wir ein eigenes Lehen haben,
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