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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ihnen erwartet wurde. Der Kreis um Aliénor war kleiner geworden. Die Gräfin de Champagne weilte wieder an der Seite ihres Gemahls, der die Revolte unterstützte. Isabelle befand sich in Flandern. Ebenjene Stille, die Marie in
der ersten Zeit in Poitiers genossen hatte, schien ihr nun bedrückend.
    »Wie lange wird es noch dauern, Hoheit?«, fragte sie. »Wann kommt der junge Herzog mit seinen Rittern zurück?«
    Emma warf Marie einen entsetzten Blick zu, doch die Königin schien nicht verärgert. Lächelnd strich sie über Maries Handgelenk.
    »Beim nächsten Weihnachtsfest ist dein Jean sicher wieder hier und hat auch schon ein Lehen. Ich werde die Auflösung deiner ersten Ehe in die Wege leiten. Meinetwegen hole dein Kind schon vorher. Ich hoffe, dann bekomme ich wieder ein paar schöne Geschichten von meiner Dichterin.«
    Plötzlich empfand Marie nur noch tiefe Dankbarkeit.
    »Es wird sein, wie Ihr wünscht, Hoheit«, versprach sie, und die Königin nickte zufrieden.
    »Wenn meine Söhne an der Macht sind, bin ich die wahre Herrscherin«, versicherte sie. »Dann kann ich mich gegenüber Menschen, die meine Gunst besitzen, noch großzügiger zeigen als bisher.«
    Wieder einmal stachen neidvolle Blicke Marie wie Nadeln. Emma verzog nur ihr Gesicht und grinste. Marie stellte erleichtert fest, dass wenigstens ihre Tante seit der unseligen Geschichte mit Régnier weniger feindselig geworden war. Vielleicht würden auch alle anderen Umstände in ihrem Leben sich zum Guten entwickeln. Sie hoffte, dass Aliénor sich nicht in ihren Söhnen täuschte, die nicht immer jung und beeinflussbar bleiben würden. Trotz all seiner unliebsamen Eigenschaften schien ihr Onkel ein weitaus fähigerer Herrscher. Vor allem ihn hatte die Königin hoffentlich nicht unterschätzt.
     
    Ein warmer Frühling wurde zu einem heißen Sommer. Emma folgte Maries Beispiel und ließ die Vorhänge, die gewöhnlich
um ihr Bett hingen, entfernen, um nachts jeden Hauch frischer Luft zu spüren. Trägheit drückte alle Gemüter nieder. Selbst die Geschichtenerzähler und Troubadoure wurden nur noch selten gerufen, denn ihnen zuzuhören, erforderte mehr Anstrengung, als irgendjemand aufbringen wollte. Schließlich kam die Königin auf den Gedanken, im Innenhof des Palastes Tische und Bänke aufstellen zu lassen, damit bei kühler, frischer Abendluft gespeist werden konnte. Es schien ihr Freude zu machen, sich durch solche Pläne abzulenken. Trotz der drückenden Hitze war Aliénor seit einigen Wochen so unruhig wie ein Waldtier, das verdächtige Geräusche vernommen hatte. Es waren keine Boten mehr eingetroffen.
    »Ich bin mir sicher, dass alles bestens verläuft«, beruhigte Raoul de Faye seine Königin während des ersten abendlichen Gelages im Freien. »Vermutlich wartet Richard auf eine entscheidende, neue Entwicklung, bevor er weitere Nachrichten schickt. Die Bretagne und die Normandie sind bereits unser. Bald schon haben wir auch das Anjou.«
    Marie schmierte eine dicke Schicht von Ziegenkäse auf ihr Fladenbrot. Sobald es etwas kühler wurde, bekam sie Appetit. Es überraschte sie ein wenig, dass Aliénor Henri selbst jene Grafschaft entreißen wollte, die seine allereigenste war. Was sollte eigentlich mit dem alten König geschehen, sobald er entmachtet war?
    »Ich verlasse mich natürlich auf Richard«, riss die Stimme der Königin sie aus diesen Überlegungen. »Louis hat ihn endlich zum Ritter geschlagen, aber er war schon als halbwüchsiger Junge ein besserer Kämpfer denn zahlreiche ausgewachsene Männer.«
    Dem musste Marie zustimmen. Doch machte das Geschick im Umgang mit dem Schwert Richard zu einem guten Herrscher? Vielleicht lag es an der Öde des untätigen Wartens
von einem Tag zum nächsten, dass ihr in letzter Zeit ketzerische Gedanken über Aliénors Pläne kamen. Nachdenklich leerte sie ihren Becher. Der Weißwein war aus einem kühlen Keller geholt worden und sollte schnell getrunken werden, um genießbar zu bleiben.
    »Euer Hoheit«, wandte sie sich an Aliénor, verstummte aber sogleich, als ihr klar wurde, wie unklug es wäre, ihre Bedenken auszusprechen. Doch die Königin war bereits hellhörig geworden.
    »Was ist?«
    »Nichts. Es ist gar nichts«, erwiderte Marie ausweichend. Sie fühlte den kühlen Blick der Königin hartnäckig auf sich ruhen.
    »Heraus mit der Sprache! Was beschäftigt dich?«
    Marie schluckte, dann setzte sie vorsichtig zum Reden an.
    »Euer Sohn Richard ist in der Tat ein großartiger Schwertkämpfer.

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