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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Ich habe Kreuzritter foltern und töten lassen für dieses Vergehen, und nun ist mein Sohn eine Kreatur Sodoms. Es hieß immer, ich sei zu milde im Umgang mit Juden, weil ich sie duldete, solange sie Geld ins Land brachten und meinen Befehlen folgten. Der Rest der Welt wird spotten, wird sich mit Abscheu abwenden, wenn bekannt wird, dass …«
    »Wenn du willst, dass es bald jede Küchenmagd dieser Burg weiß, dann schreie ruhig weiter, Henri!«, unterbrach Aliénor trocken. Diese Worte bewirkten ein kleines Wunder. Henri drehte sich stumm zu seiner Frau um. Plötzlich sah er alt und hilflos aus, als habe er begriffen, dass er aufständische Vasallen in die Knie zwingen konnte, aber nicht seine Kinder ändern. Richard ließ sein Schwert sinken.
    »Gehe hinaus und bereite dich für deine Abreise vor. Ich
weiß nicht, was du dir bei alldem gedacht hast. Dies ist ein christliches Land. An meinem Hof will ich dich nicht mehr sehen«, meinte Aliénor zu Meir, der immer noch in einer Ecke kauerte. Er gehorchte, nachdem er Richard einen letzten Blick zugeworfen hatte.
    »Und du, mein Junge, lege dich schlafen. Wir bereden alles, wenn wir wieder in Poitiers sind«, wies die Königin nun ihren Lieblingssohn an. Richards Atem rasselte. In seinen Augen schwammen Tränen, doch wagte er es nicht, sich seiner Mutter zu widersetzen.
    »Nun gehen wir in Euer Gemach zurück, Henri, und besprechen diesen unseligen Vorfall«, fuhr Aliénor energisch fort. Marie staunte, dass der König keinerlei Widerstand leistete. Der Bär schien vom Schicksal in die Knie geprügelt, fast gezähmt.
    »Ich sollte mich jetzt besser zurückziehen, Hoheit«, meinte Marie zaghaft zur Königin. Emma schubste sie verärgert an, denn sie hatte wohl nicht das Verlangen, sich zu entfernen. Aliénor musterte ihre beiden Hofdamen nachdenklich.
    »Das Schlimmste habt ihr bereits mitbekommen, also könnt ihr auch den Rest hören. Dass ihr schweigen sollt, ist euch sicher bewusst.«
    Der Blick der Königin streifte noch kurz ihre zwei anderen Söhne, die ebenfalls neugierig zugesehen hatten.
    »Aber du, Geoffroy, entfernst dich bitte, denn du hast bereits genug Unheil angerichtet. Henry will jetzt sicher noch zu seinen Rittern, denen er aber nichts erzählen sollte, das den Namen unserer Familie in den Schmutz zieht, falls er eines Tages wirklich König von England werden will.«
    Beide entfernten sich ohne Widerspruch. Marie war überrascht, wie wirksam leise vorgetragene Befehle sein konnten. Bald schon saßen sie zu viert in dem königlichen Raum. Henri schien sich wieder gefasst zu haben. Seine Augen funkelten
nicht mehr, und die Röte auf seinem Gesicht schwand allmählich. In aller Ruhe nahm er einen Schluck aus seinem Weinbecher.
    »Nun, Ma Dame, was meint Ihr zu Eurem geliebten Sprössling«, meinte er mit einem boshaften Grinsen zu Aliénor, die nur den Kopf schüttelte.
    »Er ist jung. In seinem Alter begehen Männer Dummheiten, wie Ihr selbst wissen dürftet.«
    »Würde er diese Dummheiten mit einem Mädchen begehen, wäre daran auch nichts auszusetzen.«
    Aliénor seufzte.
    »Es ist eine vorübergehende Verirrung, nichts weiter. Ich werde dafür sorgen, dass er diesen Jungen nicht mehr sieht.«
    Marie konnte nicht umhin, plötzlich Mitleid für Richard zu empfinden, auch wenn er ein Sünder war.
    »Und wenn diese Verirrung, wie Ihr sie nennen wollt, fortbesteht?«, beharrte Henri »Wenn auf diesen Juden andere, ähnlich verderbte Kreaturen folgen?«
    Aliénor holte entschlossen Luft.
    »Dann wird Richard lernen, seine Neigung vor der Welt zu verbergen. Er wird einen Priester haben, um regelmäßig Beichte zu tun. Und er wird sich vermählen, wie es seine Pflicht ist. Einen Nachfolger zeugen. Überlasst es mir. Ich kenne diesen Jungen, und er hört auf meinen Rat.«
    Henri kaute nachdenklich an einem Stück Brot.
    »So also seht Ihr das, Ma Dame. Allein der Schein zählt. Ihr liebt den Schein, das ist mir bekannt.«
    Aliénor fuhr ungeduldig auf.
    »Ihr liebt den Schein ebenso, wenn er Eure Macht fördert. Was stört Euch auf einmal daran?«
    Henri beugte sich vor.
    »Dass Ihr falsch und hinterhältig seid, das stört mich. Nur in Euren eigenen Glanz verliebt, der mehr zählt als das Seelenheil
unseres Sohnes. Ihr hättet einschreiten sollen, als die ersten Zeichen sichtbar wurden. Doch Ihr habt es geduldet. So, wie man in Eurer verrufenen Heimat alle Sünden duldet und sich geschickt mit ihnen arrangiert.«
    Aliénor stieß ein lautes Lachen

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