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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Gemach tragen zu lassen.
    »Wann bist du angekommen?«, fragte sie fassungslos. »Wieso ließ Richard dich gehen?«
    Jean schüttelte ungeduldig den Kopf.
    »Das erkläre ich dir alles später, meine Elfe. Führe mich zur Königin!«
    »In diesem Zustand bist du unpassend für Aliénors empfindliche Nase«, widersprach Marie und lächelte. »Zuerst musst du dich waschen, umkleiden und vielleicht ein bisschen ausruhen.«
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt«, mischte Hawisa sich ins Gespräch. »Zum Glück kenne ich den Wachmann am Tor recht gut. Er gab mir gleich Bescheid, wer eingetroffen war und ins königliche Gemach stürmen wollte. Ich konnte den edlen Ritter mit Mühe und Not überreden, hier auf seine Liebste zu warten, anstatt unsere Hoheit gleich in ihrer Nachtruhe zu stören.«
    Jean hatte die Lippen fest aufeinandergepresst. Er sah so ernst und bedrückt aus, dass Marie unwohl wurde.
    »Aber jetzt muss ich zur Königin! Es ist wirklich wichtig, Marie.«
    »Gut, ich führe dich zu ihrem Gemach. Wenn wir Glück haben, ist sie noch wach«, gab sie nach. Sie legte ihre Hand auf Jeans rechten Oberarm und fuhr erschrocken zusammen, als sie ihn stöhnen hörte.
    »Bist du verletzt?«
    »Das ist nichts! Der Feldarzt hat die Wunde ausgebrannt. Jetzt lass uns gehen!«
    Sie überquerten erneut den Außenhof und gelangten ins Hauptgebäude. Maries Finger umklammerten Jeans Hand, denn sie wollte seine Nähe spüren, um sich sicher zu sein,
dass sie nicht träumte. Wie heiß er sich anfühlte! Er hatte eine Wunde und vielleicht auch Fieber. Sie hoffte, das Gespräch mit Aliénor würde nicht zu lang ausfallen, damit sie bald in Ruhe nach ihm sehen konnte.
    »Kannst du mir nicht kurz erzählen, was vorgefallen ist?«, drängte sie, als sie gemeinsam den Gang zu Aliénors Gemach durchschritten. Jean wandte sich ihr zu. Sie bemerkte den unnatürlichen Glanz seiner Augen, der ihre letzten Zweifel verjagte. Er fieberte.
    »Der König hat ein Heer, Marie«, gab er mit tonloser Stimme ihren Bitten nach. »Ein riesiges Heer.«
    Die steinernen Wände schienen zu wanken. Tausende von Fragen jagten durch ihren Kopf, aber sie begriff nun, dass sie ihn wirklich auf der Stelle zu Aliénor führen musste.
    »Bist du allein hierhergeritten?«, fragte sie nur.
    »Richard schickte mich mit zwei Knappen los. Ich habe eine Botschaft an seine Mutter. Marie …«
    Er verstummte kurz und lehnte sich gegen das Gemäuer.
    »Robert ist tot«, stieß er mühsam hervor. »Er wollte sich unbedingt am Kampf beteiligen, weil er auf eine Auszeichnung hoffte. Und wir konnten jeden Mann gebrauchen, ganz gleich wie jung. Ich … habe ihn in dem Getümmel aus den Augen verloren … Ich konnte ihm nicht helfen, und jetzt ist er tot.«
    Marie hatte wieder das aufgeweckte Gesicht mit den zahllosen Sommersprossen vor den Augen, fühlte die Hand des Jungen in der ihren, als sie sich mit ihm einen Weg durch das festliche Gedränge bahnte. Tränen schossen ihr in die Augen, aber jetzt musste sie erst einmal Jean Trost schenken.
    »Es ist nicht deine Schuld gewesen. In Schlachten sterben Menschen«, meinte sie und schämte sich, keine überzeugenderen Worte zu finden. Es klang so nüchtern, so völlig selbstverständlich. Der gewitzte, ehrgeizige Robert de Veizis
war mit vierzehn Jahren gestorben, weil er die Gunst seiner Dienstherren, damit auch Geld und Besitz gewinnen wollte.
    »Ich muss es meinem Onkel und seiner Familie sagen«, fuhr Jean leise fort. »Deshalb bat ich Richard, mich als Boten zu schicken. Ich konnte ohnehin nicht mehr kämpfen wegen dieser dummen Wunde am Arm.«
    In diesem Fall wäre es sinnvoller gewesen, liegen zu bleiben, bis er wieder bei Kräften war, überlegte Marie, obwohl sie erleichtert war, ihn bei sich zu haben. Sie würde ihm am nächsten Morgen gleich einen guten Arzt besorgen. Auf einmal sehnte sie sich nach Angharad.
    Sie erreichten die Tür von Aliénors Schlafgemach und Marie klopfte energisch. Sie verstieß gegen jede Etikette, indem sie ihre Herrscherin so einfach aus dem Schlaf riss. Kein Wunder, dass der Wachmann zunächst Hawisa Bescheid gegeben hatte, um diese Verantwortung von sich zu weisen. Doch Aliénor musste noch wach sein, denn sie rief leicht verärgert: »Herein!«
    Die Königin saß mit offenem Haar auf ihrem Bett, während Jean vor ihr in die Knie sank. Dann trug er seine Botschaft vor. Richard hatte kein Schreiben verfasst, denn er fürchtete, es könnte abgefangen werden.
    »Der König marschierte mit

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