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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Doch ist mir zu Ohren gekommen, dass er ähnlich wie sein Vater zu sehr unbeherrschten Ausbrüchen neigt. Vielleicht bräuchte er mehr Rat und Beistand, damit er lernt, seinen Zorn zu bändigen.«
    Aliénor verzog nur spöttisch das Gesicht.
    »Er soll Herzog sein und kein lammfrommer Mönch. Die Wutausbrüche haben meinem allerliebsten Henri nicht wirklich geschadet, im Gegenteil. Seine Untertanen rannten schon bei jedem Flüstern los, bevor es sich in ein Brüllen verwandeln konnte.«
    Raoul de Faye lächelte gekünstelt.
    »Aber bald schon nützt dem guten Henri sein Brüllen nichts mehr«, fügte er hinzu.
    »Sollte mit der Absetzung Henris nicht die Zeit der Tyrannei zu Ende gehen?«, sprach Marie ihren ersten Gedanken aus. Sie hörte Emma murren und bemerkte deren entgeisterten Blick. Offenbar setzte sie gerade eben ihre Stellung als
Aliénors Favoritin aufs Spiel. Marguerite hingegen musterte sie mit unausgesprochener Anerkennung. Alais staunte nur, und Constance tuschelte mit Gracia de Faye.
    »Meine Heimat wird nicht mehr ausgeblutet werden«, erklärte Aliénor ohne jeden Hauch von Zorn in ihrer Stimme. »Richard versteht das Denken meiner Landsleute und weiß, wie sehr sie ihre Unabhängigkeit lieben. Ich werde ihm zeigen, wie er sie lenken kann, ohne ihren Widerspruchsgeist zu wecken. Doch ein heftiger Wutausbruch hier und da wird sie nicht vor den Kopf stoßen. Das ist Grafen und Baronen durchaus vertraut, sie sind im Umgang mit Untergebenen selbst nicht anders.«
    Zufrieden mit ihrer Rede schenkte die Königin sich nochmals Wein ein. Marie widersprach nicht, denn es gab kaum etwas zu erwidern. Für die einfachen Leute und abhängigen Höflinge würde sich nicht viel ändern, wenn Henri entmachtet war. Sie zwang sich, so zu denken, wie Jean es ihr geraten hatte. Es ging nur noch um ihrer beider Zukunft. Und die hing vom Wohlwollen der Königin ab.
     
    Ein paar Musikanten traten auf, und im Hof wurde getanzt. Marie formte mit Emma und den jungen Prinzessinnen einen Reigen und versank ganz in der Melodie, um ihre Sorgen zu vergessen. Allmählich wurde es dunkel. Die Luft duftete nach zahllosen Blüten, und sobald die Musik für einen Augenblick verstummte, war das Zirpen von Grillen zu vernehmen. Mücken vereinten sich zu eigenartigen, beweglichen Gebilden um die Kerzen auf dem Tisch, bevor sie von den Flammen verschlungen wurden. Leider überlebten genug von ihnen, um ein böses Jucken auf Maries Unterarmen und ihrem Hals zu verursachen. Aliénor schien dies ebenso lästig zu finden oder war einfach nur müde von tagelanger Anspannung, denn sie zog sich zu ungewöhnlich früher
Stunde zurück. Marie beschloss, ebenfalls in ihr Gemach zu flüchten. Hawisa konnte sicher eine Zwiebel besorgen, die aufgeschnitten auf die Stiche gelegt den Juckreiz linderte.
    Die Tür zu ihrem Gemach war angelehnt. Erwartungsvoll rief sie Hawisas Namen, erhielt aber keine Antwort. Vermutlich hatte die nächtliche Schwüle ihre lebenslustige Zofe wieder in die Arme eines Mannes getrieben, doch wenigstens hatte sie ein paar Öllampen im Raum brennen lassen, sodass Marie nicht im Dunkeln herumtappte. Sie füllte einen Becher mit Honigwasser und leerte ihn durstig. Der Wein hatte ihre Kehle völlig ausgetrocknet, doch nachdem ein Übel beseitigt war, blieb immer noch das lästige, brennende Jucken auf ihrer Haut. Marie überlegte gerade, sich im Palast nach einer anderen Bediensteten umzusehen, die ihr die rettende Zwiebel beschaffen konnte, da flog plötzlich die Tür auf.
    »Marie! Da bist du ja. Ich habe dich im ganzen Palast gesucht.«
    Hawisa keuchte. Sie musste die Stufen in Windeseile erklommen haben.
    »Da ist jemand, den du sicher sehen willst. Komm mit!«
    Bevor Marie genauer nachfragen konnte, wurde sie am Arm gepackt und in den Gang gezogen. Stolpernd eilte sie Hawisa hinterher. Im Außenhof wurde sie in eines der Nebengebäude gezerrt. Hawisa stieß die Tür zu einer Kammer auf. Im blassen Licht einer einzigen Kerze erblickte Marie eine Gestalt, die in der Ecke auf einem Strohsack ruhte. Ihr Eintreten ließ sie auffahren.
    Eine vertraute Stimme rief ihren Namen. Sämtliche Müdigkeit fiel von Marie ab, und sie vergaß alle Sorgen über den Sinn von Aliénors Krieg, als sie Jean um den Hals fiel.
    Er roch nach Schweiß, und seine Haut glühte, als brenne ein Feuer in seinem Körper. Es musste an der langen Reise
bei schwüler Sommerhitze liegen. Marie beschloss, Hawisa gleich zu bitten, einen Zuber mit Wasser in ihr

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