Die Dichterin von Aquitanien
nutze. In seinem Mitgefühl schickte der Familienclan mich auf Pilgerfahrt nach Rom, damit ich Gott für mein Überleben danken konnte. In der Zwischenzeit kam Rhys an die Macht und heiratete meine Braut.«
Er sank wieder auf den Schemel und griff nach dem Bierkrug. Auch Marie trank. Obwohl in der Feuerstelle die Flammen loderten, fröstelte sie.
»Gwen war frisch wie eine Frühlingsblume, eine echte Waliserin«, fuhr Cadell fort. »Ich kannte sie von Kindheit an, und wir waren beide glücklich, als unsere Väter beschlossen, zwei mächtige Clans durch unsere Verlobung zu vereinen. An meinem Krankenbett hatte sie mir ihre Liebe versichert und geschworen, auf mich zu warten, doch als ich aus Rom zurückkam, war sie die Gemahlin meines Bruders. Rhys bekommt alles, was er begehrt. Dieses Talent wurde ihm in die Wiege gelegt.«
Marie setzte zaghaft zum Sprechen an: »Manche Menschen scheinen vom Schicksal bevorzugt, doch Gottes Liebe gehört den Schwachen und Benachteiligten.«
Als Cadell sein entstelltes Gesicht verzog, klang der Satz auch in ihren Ohren wie eine Zeile aus einem schlechten, da wenig einfallsreichen Gedicht.
»Nun, ich bin es allmählich leid, benachteiligt zu sein«,
erwiderte Cadell nun lauter als bisher. Marie zwang sich, nicht vor dem Gestank seines Atems zurückzuweichen, der ihr entgegenschlug. »Als Rhys zu mir sagte, ich soll die Nichte des Normannenkönigs heiraten, da dachte ich mir, was soll’s, da werden eben die normannischen Hunde mir helfen, im Leben voranzukommen. Deshalb nahm ich das Angebot an, hoffte auf ein hübsches Normannenweib mit üppiger Mitgift. Doch was ich bekam, war eine graue Maus, die ein paar mickerige Kisten hinter sich herzog.«
Marie senkte den Blick, verbot sich, ihrem Gegenüber sogleich an den Kopf zu werfen, dass er nicht unbedingt der Ehemann war, von dem junge Mädchen träumten. Wenn sie durch Cadells verbitterte Fassade drang, konnte vielleicht eine Art von Verbundenheit zwischen ihnen entstehen.
»Ich weiß, dass ich keine Schönheit bin. Meine Mutter war eine einfache Magd, die von ihrem Herrn verführt wurde, und ich sollte mich glücklich schätzen, dass mein Onkel mich anerkannte und an seinen Hof holte. Doch ich will mich bemühen, Euch zu unterstützen, wie ich nur kann, mein Herr Cadell«, sagte sie so sanft wie sie nur konnte, auch wenn die Worte bitter auf ihrer Zunge schmeckten. Ihr Gemahl nahm einen weiteren Schluck aus dem Bierkrug.
»Euer Bemühen könnt Ihr sogleich unter Beweis stellen, edle Marie d’Anjou. Die letzte Hure, die ich mir kaufte, gab sich große Mühe, ihren Widerwillen zu verbergen. Zeigt mir, wie sehr Ihr die Kunst der Verstellung beherrscht.«
Die Finger seiner rechten Hand krallten sich um Maries Handgelenk. Zunächst widerstrebte es ihr, gegen einen verkrüppelten Mann zu kämpfen, doch als sie spürte, welche Kraft allein in seinem unversehrten Arm steckte, versuchte sie sich zappelnd aus seinem Griff zu entwinden. Aber sie kam nicht gegen Cadell an. Jene Muskeln seines Körpers, die nicht verkümmert waren, verfügten noch über kriegerische
Stärke. Grob wurde sie vom Stuhl gerissen und auf das Bett gezerrt. Als sie zum Reden ansetzen und um mehr Zeit bitten wollte, fühlte sie seine Hand an ihrer Kehle.
»Wenn du dich wehrst, dauert es nur länger«, flüsterte Cadell ihr ins Ohr. Maries Entschluss, sich vernünftig zu verhalten, wurde von einer Welle des Zorns hinweggespült. Ihr Knie trat wie von selbst gegen seinen Oberschenkel. Die Enge an ihrem Hals nahm zu, sie schnappte nach Luft und spürte, wie Speichel über ihre Wangen lief.
»Nun will ich sehen, welch billige Ware ich bekommen habe«, zischte Cadell und zerriss mit einer schnellen Bewegung den Bliaut. Noch einmal bäumte Marie sich auf, versuchte, zur Seite zu rollen und aus dem Raum zu flüchten, doch Cadell packte sie an ihrem sorgsam gebürsteten Haar. Der Schmerz stach wie tausend Nadeln in ihren Schädel, als sie zurückgerissen wurde.
»Jetzt lieg endlich still, sonst wirst du es bereuen«, zischte Cadell heiser. Marie wand sich und zappelte, doch wieder raubten kräftige Finger ihr die Luft, während der schwache, aber noch bewegliche Arm ihres Gemahls den dünnen Stoff der Chemise bis zu ihrer Taille schob. Er stemmte seine Knie auf ihren Bauch, um in Ruhe die Verschnürung an seinen Beinkleidern lösen zu können. Marie spürte, wie das Abendessen aus ihrem Magen in ihre Kehle wanderte, und fürchtete, daran zu ersticken. Kalter Schweiß
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