Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
dich beruhigen.«
    Marie gehorchte und spürte ein heftiges Brennen in ihrer Kehle.
    »Würde dein Vater dir etwas Derartiges antun? Dich mit einem hässlichen, alten Kerl in die Fremde schicken?«, fragte sie ihre Dienerin.
    Hawisa schüttelte den Kopf. »Nein, vermutlich nicht. Aber wenn er und meine Brüder nicht genug erwirtschaften, um mir eine angemessene Mitgift zu geben, dann werde auch ich nicht wählerisch sein können. Höre auf zu klagen, Marie. Dein Gemahl leidet unter den Folgen schwerer Verletzungen.
Versuche Mitgefühl zu empfinden, anstatt ihn zu verabscheuen.«
    »Du hast leicht reden«, zischte Marie, aber langsam sickerten die Worte in ihr Bewusstsein. Vielleicht war dies tatsächlich die einzige Möglichkeit, sich mit ihrer Lage zu versöhnen. Sie schloss die Augen und ergab sich dem sanften Streicheln der Bürste.
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren.
    »Der Herr Cadell wartet auf seine Gemahlin«, ertönte eine missmutige Frauenstimme. Hawisa hielt inne, während Marie sich langsam erhob.
    »Bete für mich, Hawisa«, meinte sie zum Abschied.
     
    Die Kammer lag unmittelbar hinter dem großen Saal, in dem allmählich Ruhe eingekehrt war, da die Gäste sich entweder entfernten hatten oder auf dem Stroh eingeschlafen waren. Kaum jemand beachtete Marie, als sie geführt von der Magd, zu der Eingangstür ging. Dann öffnete sich der Raum, wo ihre Hochzeitsnacht stattfinden sollte, vor ihren Augen. Talgkerzen auf dem Tisch erhellten die steinernen Wände, zwei Schemel standen herum und ein mit Laken und bunten Decken belegtes Bett. Cadell ap Gruffydd saß vor einem gefüllten Bierkrug. Als die Tür hinter Marie zufiel, wandte er nur kurz den Kopf.
    »Da also ist meine Normannin!«, lautete die spöttische Begrüßung.
    Marie neigte nur den Kopf. Sie wollte nicht sinnlos darauf beharren, dass sie keine Normannin war. Ihre Kehle war so eng vor Angst, dass sie ohnehin kein Wort herausgebracht hätte.
    »Willst du auch noch etwas Bier?«, fragte Cadell.
    Marie nickte erleichtert. Sie ließ sich auf einem der beiden Schemel nieder und musterte die glatten Steine des Gemäuers,
um weder ihren Gemahl noch das Bett ansehen zu müssen.
    »Wird noch der Priester kommen, um unser Gemach zu segnen?«, stieß sie mühsam hervor. Hawisa hatte ihr erklärt, dass dies vor einer Hochzeitsnacht üblich war. Sie sehnte sich nach dieser Zeremonie, denn sie hätte den Vollzug der Ehe noch etwas hinausgeschoben. Cadell schüttelte nur den Kopf.
    »Er war schon hier, als du dich herausgeputzt hast. Jetzt musst du dich mit mir begnügen. Keine großartige Vermählung, ich weiß.« Er stieß ein raues Lachen aus, während er einen Becher mit Bier füllte und ihn in Maries Richtung schob. »Du solltest wissen, wer dein Mann wirklich ist«, fuhr er dann fort. »Ich war der älteste Sohn, der rechtmäßige Erbe von Deheubarth. Zu jener Zeit, da ich an die Macht kam, waren die Normannen zerstritten, und wir nutzen diese Gelegenheit, um die Ländereien, die sie uns gestohlen hatten, wieder zurückzuerobern. Ich war erfolgreich dabei und hoffte, meine Heimat ganz von den fremden Eindringlingen zu befreien. Doch eines Tages ging ich jagen und folgte einer Fährte, die mich von meinen Männern entfernte. Ein paar normannische Hunde, die mir aufgelauert hatten, fielen über mich her. Sie führten einen wahrhaft ritterlichen Kampf, ungefähr zwanzig Mann gegen einen. Erst als sie mich für tot hielten, ließen sie von mir ab. Aber ich war nicht ganz tot. Etwas von mir ist noch geblieben.«
    Er sprang auf und löste seinen Gürtel, um sich Chemise und Surcot über den Kopf zu ziehen. Marie stockte der Atem. Die Flammen der Kerzen warfen ihr flackerndes Licht auf von zahllosen Narben zerfressene Haut. Eine von Cadells Schultern saß etwas tiefer als der Rest seines Oberkörpers, und der Arm baumelte daran wie ein vom Baum halb abgetrennter Ast. Deshalb also machte ihr Gemahl stets einen krummen, ungelenken Eindruck.

    »Ich bin eine zerschlagene Holzfigur, die nicht mehr richtig zusammengeleimt werden konnte«, erklärte er. »Der Schmerz ließ nach, doch niemals ganz. Ich gewöhnte mich an ihn. Wenn er stärker wird, dann hilft mir nur noch ein Krug Bier.«
    Marie schwieg. Das Mitgefühl, zu dem Hawisa ihr geraten hatte, kam nun von selbst.
    »Die Quacksalber hatten mich schon aufgegeben, aber sie täuschten sich. Ich kam wieder auf die Beine«, erzählte Cadell weiter. »Doch als Herr von Deheubarth war ich zu nichts mehr

Weitere Kostenlose Bücher