Die Dichterin von Aquitanien
Schulterzucken.
»Vielleicht könntest du ihm zureden.«
Ein bitteres Lachen drang aus Maries Kehle.
»Ich! Ausgerechnet ich! Was ich sage, hat hier keinerlei Bedeutung.«
Sie setzte sich und fuhr fort, Cleopatra zu streicheln.
»Marie!«, rief Hawisa unangenehm laut. »Du kannst nicht immer nur herumsitzen. Der Haushalt kümmert dich nicht,
gut, ich erledige es gern an deiner Stelle. Aber du solltest dich auf irgendeine Art beschäftigen. Wenn du nur ein Kind hättest, dann …«
»Damit ich schwanger werde, müsste mir der göttliche Engel erscheinen wie der Jungfrau Maria, obwohl ich keine Jungfrau mehr bin«, fuhr Marie dazwischen und lachte auf. Cadell durchbohrte ihren Leib regelmäßig auf die verschiedensten Weisen, doch war er bisher nicht in der Lage gewesen, ihr auf die übliche Art beizuliegen. Allein seine ständigen Flüche und die Beleidigungen, mit denen er Marie überhäufte, zeugten davon, dass ihm die ersehnte Befriedigung fehlte. Das Lachen war wie ein Krampf, der Marie nicht mehr losließ. Sie hielt sich verlegen die Hand vor den Mund und fühlte Spucke auf ihren Fingern. Hinzu kam das Nass von Tränen, die über ihre Wangen flossen.
Cleopatra stieß ein empörtes Krächzen aus. Hawisa beobachtete mit gerunzelter Stirn, wie der Vogel wieder in seinen Käfig flatterte.
»Sogar dein Papagei ist verstört über dein Verhalten«, sagte sie. »Reiß dich zusammen, Marie. Ich fand dich immer klug und stark«, sagte Hawisa.
»Was mir nichts nützt. Rein gar nichts«, erwiderte Marie, nun einigermaßen beherrscht und bissig. »Was soll ich denn mit meinem Leben anfangen, wenn es mir nicht einmal erlaubt ist, diese Burg zu verlassen?«
Zunächst hatte sie Ausritte unternehmen dürfen, bei denen Guy de Osteilli ihr als Schutz zur Seite gestellt worden war. Die Landschaft von Wales gefiel ihr, denn sie schien vom Zauber alter Sagen beseelt. Büsche nahmen die Form von Kobolden an, Bäume streckten ihr knorriges Geäst nach ihr aus. Sie hatte eine Stelle entdeckt, wo große, uralte Eichen so eng miteinander verwachsen waren, dass sie sich gegenseitig zu umarmen schienen. In ihrer Mitte entsprang
eine Quelle. Auf der Rinde der greisen Riesen hatte Marie Gesichter zu sehen geglaubt, die beobachteten, wie Wasser aus den Tiefen der Erde sprang. Schweigend hatte sie sich zwischen den Baumstämmen niedergelegt, um dem Plätschern des Wassers zu lauschen, das ein Lied für sie zu singen schien. Guy de Osteilli konnte es nicht hören, das war an seinem verwirrten Gesicht zu erkennen gewesen, doch er hatte Maries eigenartiges Verhalten kommentarlos hingenommen. Dieser Ort des Zaubers hatte ihr Träume geschenkt, in die sie flüchten konnte, während Cadell ihren Körper benutzte. Sie war immer wieder dorthin zurückgekehrt. Doch schließlich waren ihr derartige Ausflüge verboten worden, weil sie zu lange dauerten.
»Willst du dich von dieser Ehe völlig zerstören lassen? Wo ist dein Kampfgeist geblieben?«, holte Hawisa sie aus ihren Erinnerungen in die Wirklichkeit zurück.
Marie fuhr zusammen, denn diese Worte hatten schmerzhaft getroffen. Sie richtete sich auf und nahm Haltung an.
»Gut, dann sage mir in deiner Klugheit, was es nützen sollte, meinem Gemahl ein Kräuterweiblein vorzustellen.«
»Sie könnte helfen, seine Schmerzen zu lindern«, wiederholte Hawisa. »Dein Gemahl leidet, Marie, und deshalb fügt er auch anderen Leid zu.«
Marie senkte den Kopf. Im Grunde ihres Herzens genoss sie manchmal das Wissen um Cadells Schmerz, denn es schien ihr eine gerechte Strafe für alle Qual, die er ihr regelmäßig zufügte. Aber was war, wenn Hawisas recht hätte? Machte der Schmerz ihren Gemahl zu dem, was er war? Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, um ihre Gedanken zu ordnen.
»Gut«, meinte sie nach einer Weile. »Vielleicht wird es leichter mit Cadell, wenn sein Schmerz nachlässt. Doch ich glaube nicht, dass er diese Frau sehen will. Versuche, sie in
mein Gemach zu schmuggeln. Wenn sie nützliche Tränke hat, dann kann ich sie meinem Gemahl in sein Bier schütten, sobald er mich wieder mit seiner Gegenwart beehrt.«
Hawisa lächelte zaghaft.
»Das ist endlich wieder ein vernünftiger Gedanke. Ich werde sehen, was ich machen kann.«
Als die Tür hinter Hawisa zufiel, legte Marie sich aufs Bett und schloss die Augen, um sanft ins Reich der Träume zu schweben. Jene alten Sagen und Geschichten, die Guillaume ihr regelmäßig erzählt hatte, nahmen Farben und Formen an. Sie sah einen
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