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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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trat aus ihrer Haut, als der zernarbte Körper ihres Gemahls wie ein schwerer Stein auf sie niedersank. Langsam verebbte ihr Widerstand. Als ihre Schenkel auseinandergezwängt wurden, überkam sie ein heftiges Zittern, als litte sie an Fieber. Cadell drängte sich zwischen ihre Beine, keuchte und stöhnte, doch schien seine Kraft allmählich zu erlahmen. Schließlich lag er völlig still. Marie rang nach Luft und schloss die Augen, um sein Gesicht nicht mehr sehen zu müssen.

    Wieder stieß er einen unverständlichen Fluch aus. Marie versuchte, von ihm wegzurücken, doch er zwängte sie unerbittlich nieder.
    Dann fuhr seine Hand in ihren Körper, um ihn wie mit einem Schwert zu durchbohren. Sie schämte sich für ihren Schmerzensschrei und wünschte für einen Moment, einfach nur sterben zu können, um nicht mit der Erinnerung an diese Hochzeitsnacht leben zu müssen. Plötzlich spürte sie Wärme auf ihren Schenkeln. Sie öffnete ihre Augen, und sah Cadell, der ihren Unterleib mit einer Kerze beleuchtete.
    »Tatsächlich, da ist Blut«, murmelte er. »Du warst noch Jungfrau. Aber wer hätte eine graue Maus wie dich schon gewollt?«
    Mit einem Grunzen rollte er zur Seite, und kurz darauf zeriss sein Schnarchen die nächtliche Stille. Marie schnappte gierig nach Luft und wartete, bis das Beben ihres Körpers endlich schwächer wurde. Dann stand sie mühsam auf. Zwischen ihren Beinen brannte ein Feuer, das jeden Schritt zur Qual machte. Sie entdeckte einen Krug mit Wasser und schüttete es über sich aus, um die Spuren von Cadells Berührungen abzuwaschen. Dann zog sie eine Decke vom Bett und wickelte sich darin ein, bevor sie aus dem Zimmer lief. Im großen Saal brannten noch vereinzelt Kerzenstummel, sodass sie über keinen der Schlafenden stolperte. Marie hastete durch den angrenzenden Raum zur Wendeltreppe. Kurz meinte sie, die Umrisse einer männlichen Gestalt an sich vorbeihuschen zu sehen, doch mochte dies Einbildung sein. Sie tastete sich am Gemäuer entlang, bis sie jene Tür erreichte, hinter der ihr vertrautes Gemach lag. Hawisa lag ausgestreckt auf dem zerwühlten Bett. Als sie Marie entdeckte, sprang sie sofort auf, um sie in die Arme zu schließen.
    »Mein Gott, du siehst schrecklich aus«, flüsterte sie nur. In diesem Moment brachen die letzten Dämme von Maries
Selbstbeherrschung, und ein wütender, verzweifelter Schrei stieg aus ihrer Kehle.
    »Ich will weg«, stieß sie dabei hervor. »Es hat keinen Sinn, er kann mich nicht leiden, und ich … Ich hasse ihn! Wie soll ich seine Frau sein? Ich will weg, einfach nur weg.«
    Hawisa strich ihr die Tränen aus dem Gesicht und drückte sie schließlich auf einen Stuhl, um erneut die Flasche mit dem Branntwein hervorzuholen.
    »Hier. Beruhige dich erst einmal.«
    Marie gehorchte. Das Brennen in ihrer Kehle tat unerwartet wohl und betäubte den Schmerz, der ihren Unterleib erneut durchfuhr, als sie sich setzte. Hawisa legte ihr tröstend den Arm um die Schulter.
    »Du bist jetzt die Gemahlin von Cadell ap Gruffydd, und niemand wird fragen, ob es dir gefällt«, meinte sie ernst. »Wenn du versuchst zu fliehen, wird man dich verfolgen und zurückholen, so wie beim ersten Mal. Deine einzige Hoffnung ist, dass Cadell stirbt oder dass dein Onkel dich an seinen Hof zurückholt, denn dem können die Waliser sich nicht verweigern. Rhys würde deshalb sicher keinen neuen Krieg beginnen. Du musst warten, auch wenn es schwer ist.«
    Marie fühlte nur noch tiefe Erschöpfung. Sie legte sich auf das Bett, wollte die Augen schließen, einschlafen und nie mehr erwachen. Da tauchte ein schmales, von blonden Locken umrahmtes Gesicht in ihrer Erinnerung auf und ein Knabe flüsterte: »Ihr sollt meine Dame sein«. Marie glaubte nicht, Jean aus Bordeaux jemals wiedersehen zu können, doch konnte sie nicht so wertlos sein, wie Cadell meinte, wenn sie einen hübschen Jungen derart entflammt hatte. Sie würde hoffen und warten, wie Hawisa ihr riet.
     
    Der Himmel war wie ein leuchtend blaues Laken. Wolken schwebten vorbei. Ihre Formen veränderten sich ständig,
vereinten sich zu großen Gebilden, um bald darauf wieder zu zerreissen und als dünne Fäden am Horizont zu verschwinden. Der Anblick dieser grenzenlosen Weite weckte Schwindelgefühle, aber gleichzeitig die Sehnsucht, in ihr versinken zu können. Marie legte ihr Kinn auf die Mauer der Fensteröffnung und sog die frische Herbstluft ein. Sie überlegte, wie lange sie nun schon in dem Turmzimmer jenes steinernen Baus

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