Die Diebe von Freistaat
und habe die Sache mit heiler Haut überstanden, aber ich kann nicht beweisen, daß ich das dem Talisman verdanke.«
Weitere Gäste betraten die Schenke, und Eindaumen mußte sie bedienen. Cappen hatte große Lust, sich vollaufen zu lassen, und zweifellos würde der Wirt ihm auch vorstrecken, was er brauchte, aber er wagte es nicht. Er wußte bereits mehr, als der Gegenseite gefallen würde—wer oder was immer sie war. Und sie mochte Möglichkeiten haben, das herauszufinden.
Die Kerze auf seinem Tisch flackerte. Er blickte hoch und sah einen bartlosen, fetten Mann in prunkvollem Festgewand - wahrhaftig nicht die übliche Kleidung für einen Besuch im Einhorn. »Guten Abend«, grüßte der Feiste. Seine Stimme klang hell wie die eines Kindes.
Cappen blinzelte durch das Halbdunkel. »Ich glaube nicht, daß ich Euch kenne.«
»Nein, aber Ihr werdet es bald glauben, o ja, das werdet Ihr.« Der Fette setzte sich. Eindaumen kam an den Tisch und nahm die Bestellung entgegen. »Rotwein, aber ein anständiger Jahrgang, mein teurer Wirt, und zwar entweder einen Zhanuvend oder Baladach.« Eine Münze glitzerte.
Cappens Herz schlug heftig. »Enas Yorl?« hauchte er.
Der andere nickte. »In Person, in leider allzu veränderlicher. Ich kann nur hoffen, der Fluch schlägt schnell wieder zu. F ast jede Gestalt wäre besser als diese. Ich hasse Übergewicht. Außerdem bin ich im Augenblick ein Eunuch. Die Male, da ich eine Frau war, waren zweifellos besser.«
»Es tut mir so leid, mein Herr.« Cappen war sehr vorsichtig. Obgleich er sich nicht von dem schrecklichen Fluch befreien konnte, der ihm auferlegt war, war Enas Yorl doch ein mächtiger Zauberer, kein einfacher Taschenspieler. »Zumindest wurde ich nicht so ohne weiteres versetzt. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie ärgerlich es ist, sich plötzlich anderswo zu befinden, meilenweit entfernt manchmal. Ich konnte aufübliche Weise hierherkommen, in meiner Sänfte. Puh, wie kann jemand sich nur aus freiem Willen in diese Gossen begeben, die man im Labyrinth Straßen nennt?« Der Wein kam. »Am besten wir kommen zur Sache und bringen sie hinter uns, junger Mann, damit ich zu Hause bin, wenn die nächste Verwandlung mich überrascht.«
Enas Yorl nippte und verzog das Gesicht. »Betrug«, keifte er. »Das kann ja kein Mensch trinken!«
»Vielleicht liegt es an Eurem gegenwärtigen Gaumen, mein Herr?« meinte Cappen. Er fügte jedoch nicht hinzu, daß Enas’ Zunge unter argem Redefluß litt. Er empfand es fast als körperliche Qual, jetzt hier festzusitzen, aber er durfte den Zauberer nicht gegen sich aufbringen.
»Oh, durchaus möglich. Nichts hat mir wirklich geschmeckt, seit ... Nun, jetzt aber zum Geschäft. Als ich erfuhr, daß Eindaumen Erkundigungen über den Vorfall in der vergangenen Nacht einzog, schickte ich selbst einige Leute aus. Ihr werdet verstehen, daß ich soviel wie möglich zu erfahren trachtete.« Enas Yorl schrieb ein Zeichen in die Luft. »Reine Vorsichtsmaßnahme. Ich möchte wahrhaftig den Mächten, die dahinterstecken, nicht in die Quere kommen.«
Ein eisiger Schauder rann über Cappens Rücken. »So wißt Ihr, wer sie sind? Und worum es geht?« Seine Stimme zitterte.
Enas Yorl schüttelte den Kopf. »Nicht so hastig, mein Junge, nicht so hastig. Das letzte, was ich erfuhr, war, daß Ihr eine etwas unbefriedigende Aussprache - wenn wir es so nennen wollen -, mit Illyra, der Seherin, hattet. Man teilte mir auch mit, daß Ihr Euch nun in dieser Schenke befindet, mit deren Wirt Ihr auf gutem Fuß steht. Offenbar seid Ihr in diese Sache verwickelt. Ich muß wissen, warum, wie, wie sehr - eben alles.«
»Dann werdet Ihr mir helfen, mein Herr?«
Ein zweites Kopfschütteln ließ das Mehrfachkinn und die feisten Wangen schwabbeln. »Keinesfalls. Ich sagte doch bereits, ich will diesen Mächten nicht in die Quere kommen. Aber für das, was Ihr mir sagen könnt, bin ich bereit, Euch die Sache zu erklären, soweit ich kann, und Euch zu beraten. Aber seid gewarnt, zweifellos werde ich Euch raten, die Angelegenheit zu vergessen, und vielleicht auch noch, die Stadt zu verlassen.«
Und zweifellos wäre das ein guter Rat, dachte Cappen, nur eben einer, den ein Liebender nicht befolgen kann, außer — o ihr gütigen Götter von Caronne, nein, nein! außer Danlis war tot.
Die ganze Geschichte quoll nur so aus ihm heraus und wurde klarer durch die einsichtigen Fragen des Zauberes. Schließlich endete er und atmete schwer, während Enas Yorl
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