Die Diebe von Freistaat
erwarte es nicht, aber für den F all des F alles — dann denk daran, wer gut zu dir war.« Ein neuer Gast trat ein, und Eindaumen machte sich daran, ihn zu bedienen.
Nachdem er sich kurz im Flüsterton mit ihm unterhalten hatte, führte er den Neuankömmling an Cappens Tisch. Cappens Puls schlug heftiger, als er den jungen Mann erkannte. Ihm war natürlich klar, daß Eindaumen ihn nicht mit Hanse zusammengebracht hätte, verfolgte er damit nicht einen Zweck, denn Spielmann und Dieb waren einander nicht gerade gewogen. Sie grüßten kühl mit einem Kopfnicken, sprachen jedoch nicht, bis der Wirt mit einer Runde Bier zurücckehrte.
Als alle drei saßen, forderte Eindaumen den Neuankömmling auf: »Na, spuck schon aus, Junge. Du sagtest, du hättest Neuigkeiten.« »Für ihn?« brauste Hanse auf und deutete auf Cappen.
»Egal für wen, sprich schon!«
Hanse blickte ihn finster an. »Ich rede nicht für einen einzigen, lausigen Krug.« »Du wirst es aber, wenn du auch weiterhin hierherkommen willst.«
Hanse biß sich auf die Lippe, das Wilde Einhorn war für einen seines Gewerbes als Treffpunkt so gut wie unentbehrlich.
Cappen hielt es für angebracht, die bittere Pille zu versüßen. »Ich kenne Molin Fackelhalter. Wenn ich ihm in dieser Sache dienlich sein kann, wird er nicht kleinlich sein. Genausowenig wie ich. Sagen wir, du bekommst — hm — zehn Goldkronen, einverstanden?«
Der Betrag war nicht fürstlich, aber durchaus angemessen. »Na gut, na gut«, brummte Hanse. »Ich hatte mich im Goldschmiedeviertel umgesehen, weil ich was Größeres vorhabe. Da kam gegen Morgen ein Wachtrupp vorbei und ich hielt es für besser, nicht auf demselben Weg heimzukehren, den ich gekommen war. Also nahm ich die Tempelallee, als hätte ich vor, zu dem einen oder anderen Gott zu beten. Es war eine dunkle, wolkenverhangene Nacht, darum war ich auch unterwegs gewesen. Aber ihr wißt ja, daß mehrere Tempel Licht brennen haben und so konnte ich etwas abseits davon noch einigermaßen sehen, auch in größerer Höhe. Die Allee selbst war menschenleer, als ich über mir ein pfeifendes und schlagendes Geräusch hörte. Ich blickte hoch und ...«
Er unterbrach sich.
»Und was?« fragte Cappen ungeduldig, während Eindaumen ihn gleichmütig anblickte.
Hanse schluckte. »Ich möchte es nicht schwören, schließlich war es alles andere denn taghell, inzwischen habe ich mich auch schon mehrmals gefragt, ob ich mich nicht getäuscht habe.«
»Was war es?« Cappen umklammerte den Tischrand, daß die Fingernägel weiß wurden.
Hanse nahm hastig einen Schluck und sagte mit sich überschlagender Stimme: »Es war ein riesiges schwarzes—Ding, fast wie eine Schlange, aber mit Flügeln wie eine Fledermaus. Es kam aus der ungefähren Richtung von Molins Haus, wenn ich es jetzt so recht überlege. Und es flog in etwa in die von Ils’ Tempel. Etwas baumelte von ihm herunter, das ein oder zwei Menschen gewesen sein könnten. Ich blieb jedoch nicht, um es mir genauer anzuschauen, sondern tauchte in die nächste Gasse und wartete eine Weile. Als ich mich wieder herauswagte, war es nicht mehr zu sehen.«
Er goß den Rest des Bieres in seine Kehle und stand auf. »Das ist alles. Ich will mich an den Anblick nicht mehr erinnern, und sollte je jemand danach fragen: ich war heute abend nicht hier.«
»Deine Geschichte ist wenigstens zwei weitere Bier wert«, lud Eindaumen ihn ein.
»An einem anderen Abend gern«, lehnte Hanse ab. »Im Augenblick brauche ich dringend eine Hure. Vergiß die zehn Goldkronen nicht, Sänger.« Mit steifen Beinen zog er sich zurück.
»Und?« fragte der Wirt nach längerem Schweigen. »Was hältst du davon?« Cappen unterdrückte einen Schauder. Auf seinen Handflächen glitzerte kalter Schweiß. »Ich weiß nur, daß wir es mit nichts Menschlichem zu tun haben.« »Du hast doch einmal erwähnt, daß du einen Talisman hast, der dich gegen Zauber schützt.«
Cappen betastete das kleine silberne Amulett in Form einer zusammengeringelten Schlange, das er am Hals trug. »Da bin ich mir nicht so sicher. Ein Hexer, dem ich einen Gefallen erwies, schenkte es mir vor vielen Jahren. Er behauptete, es würde mich gegen Zauber und übernatürliche Wesen schützen, aber nur vor solchen von niedrigerem Stand als Götter. Doch damit es wirkt, muß ich drei Tatsachen über den, der den Zauber über mich verhängt hat, oder über das Wesen, das mich bedroht, aufsagen. In zwei oder drei Notfällen habe ich das auch bereits getan
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