Die Diebe von Freistaat
ausgefüllten Tag vor mir und habe die ganze Nacht kein Augen zugetan. Ich fürchte, ich kann keine Zeit damit vergeuden, über Münzen nachzudenken, die jemand in einem alten Brunnen verloren haben mag. Wenn du sie herauskriegen kannst, dann tu es. Und vergiß nicht, hierher zurückzukommen, damit wir uns über deine Anstellung unterhalten können.«
Hanse erhob sich. Er spürte ihre geistige Verwandtschaft und das machte ihn verlegen. »Da-darüber muß ich erst noch — nachdenken, Prinz-Statthalter, Hoheit. Die Arbeit, meine ich. Und was Euch betrifft—Eure Hoheit, wollte ich sagen. Ich muß erst versuchen, mich daran zu gewöhnen, daß ich Euch nicht mehr hassen kann.«
»Nun, Hanse, vielleicht kannst du helfen, daß auch andere mich, nicht mehr hassen. Diese Hilfe könnte ich brauchen. Ich hoffe, du wirst sie mir nicht versagen und es mir krummnehmen, wenn ich dich erinnere, daß die Hälfte jeglichen Bergungsguts der Regierung zu überantworten ist.«
Hanse begann sich Gedanken über die Möglichkeit zu machen, die Goldmünzen alle in einem Sattelbeutel zu verstauen. Falls es ihm gelang sie überhaupt aus dem Brunnen zu kriegen. Dazu würde er Zeit brauchen—und Hilfe. Und diese Hilfe würde er nicht umsonst bekommen. Und dann müßte er jemanden einweihen ...
Hanse verließ den Palast in seiner weichen neuen Gewandung — mit zusammengeknifenen Augen, grübelnd, brütend, Pläne schmiedend.
Anhang
Die Stadt der Diebe
Willkommen in Freistatt!
Freistatt wurde ursprünglich vor ungefähr 175 Jahren von entlaufenen Sklaven aus Ilsig gegründet. Vor etwa 150 Jahren wurde es dann von der Kriegsflotte Ilsigs eingenommen, bis es schließlich vor nunmehr 60 Jahren von Truppen aus Ranke erobert und schließlich dem Rankanischen Reich einverleibt wurde.
Die Haupteinnahmequellen Freistatts sind Fischfang und Handel, wenngleich der Binnenhandel über die Karawanenwege durch die Große Wüste in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. Die Felder, die die Stadt umgeben, sind alle im Besitz von rankanischen Adligen und werden von Sklaven und leibeigenen Bauern bewirtschaftet.
Die Stadt selbst gliedert sich im wesentlichen in vier Teile: den ummauerten Palastbezirk, das Juweliersviertel, das Hauptviertel und das Westviertel. Die wohlhabenden Leute wohnen im Ostteil der Stadt, entweder auf den außen gelegenen Landgütern, die sich nach Osten an die Tempelallee anschließen oder im Juweliersviertel. Da der Wind vorwiegend aus Osten weht, trägt er auch die Gerüche der Stadt mit sich, so daß von Osten nach Westen die Wohnqualität abnimmt.
Das Juweliersviertel reicht etwa bis zum Stahlkorridor und zum Weberweg. Hier wohnen Adlige, die kein Amt im Palast innehaben, Handelsherren und Gildenmeister, erfolgreiche Geschäftsleute und auch Fremde, die entsprechende Mittel mitbrachten, als sie ihre Heimat verließen.
Der mittlere Teil der Stadt, das sogenannte Hauptviertel, zieht sich über die Hauptstraße hinweg bis zur Westtorstraße. Die Stadtwache patrouilliert hier regelmäßig, doch die Bewohner können sich hier in der Regel keine privaten Wachen leisten. Hier leben hauptsächlich Handwerker und Angehörige der Mittelschicht. Eine Reihe von Ladeninhabern hat früher einmal in der Armee gedient, und man weiß sich hier seiner Haut zu wehren. Die meisten ständigen Bewohner dieses Viertels stehen im Dienst von Leuten, die entweder hier oder im reicheren Teil der Stadt ihrem Gewerbe nachgehen.
Der westliche Bereich der Stadt, das Westviertel, wird vom Basar und der Uferpromenade begrenzt. Es ist der ärmere Teil von Freistatt, und Leute aus dem Ostteil suchen ihn zu meiden. Mitten im Westviertel liegt ein Bezirk, der »Das Labyrinth« genannt wird und den selbst die Leute aus dem Westviertel meiden. Das Labyrinth mit seinen verwinkelten Gäßchen ist das Viertel der Diebe, Mörder und Halsabschneider—und der Leute, die im Leben Pech gehabt haben. Andere Teile der Stadt sind das Fischerviertel am Hafen, der Basar, wo sich Händler und Abenteurer mischen, und die Straße der Roten Laternen, zwischen dem Palast und dem Friedhof gelegen, mit ihren Freudenhäusern und Spielhöllen.
Ziemlich weit im Westen, jenseits des Flusses, liegt das ärmste Viertel der Stadt, Abwind, wo niemand wohnt, der es irgendwie vermeiden kann. Hier hausen Bettler und völlig Heruntergekommene in halbverfallenen Bruchbuden. Hier ist nichts zu gewinnen. Selbst Diebe meiden diese Gegend.
Freistatt mißt in der Nord-Süd-Achse etwa
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