Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
Großmutter mochte sie aber nicht.« Zoe konnte ihren Blick nicht von der Toten wenden.
»Mein Gott, Zoe, bist du sicher?«, fragte Jannis überrascht.
Zoe nickte bestimmt: »Ja, ganz sicher! Ich erkenne sie an der riesigen Warze auf ihrer Nase, sieh mal.«
»Ist dir klar, was das bedeutet?« Jannis sah Zoe an. »Wenn das die alte Myrsini ist, dann sind wir hier im Haus der hässlichen Aglaia und ihrer Familie.« Jannis wurde ganz schwindelig. Was hatte das zu bedeuten? Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Erst einmal mussten sie diesen furchtbaren Ort verlassen, mussten weg von dieser Leiche. Jannis nahm seinen gesamten Mut zusammen und ergriff mit spitzen Fingern das Stofftuch. Gerade wollte er es zurück über das Gesicht der Leiche ziehen, als Zoe ihn mit einem leisen, überraschten Aufschrei davon zurückhielt. »Sieh mal, Jannis. Da, am Hals der Alten. Siehst du das? Zwei kleine rote Punkte, wie Nadelstiche.« Jannis sah genauer hin. Das war wirklich seltsam, der ganze Hals war gerötet und angeschwollen. Er erstarrte erneut vor Schreck: »Die alte Myrsini ist von einer Schlange gebissen worden.« Ruckartig schloss er den Sargdeckel und hielt Zoe nun endlich den Stoffbeutel unter die Nase. »Ich glaube, das ist das, was wir suchen. Überzeug dich selbst ...«
Zoe steckte vorsichtig ihre Hand hinein und zog sie, goldgefüllt, wieder daraus hervor. Beide Kinder hieltenden Atem an. Was für schöner Schmuck! Noch einmal griff Zoe zu, wühlte hier, fühlte da ...
Plötzlich stieß sie einen Schrei aus.
»Jannis! Irgendetwas hat mich gebissen!« Mit einem heftigen Ruck zog sie ihren Arm heraus, zusammen mit einer kleinen Schlange, die mit leisem Klatschen auf den Boden prallte und sich dann eilig in eine dunkle Ecke verkroch. Zoe jammerte laut vor Schmerz und Angst.
»Zeig mal«, Jannis war vor Schreck zusammengezuckt, ergriff ihre Hand und ahnte, was er zu sehen bekommen würde: zwei kleine blutige Wunden, dicht beieinander, wie sie typisch waren nach dem Biss einer Anthelion, einer dieser kleinen, todbringenden Tiere. Genau diese typische Bisswunde zeigte Zoes Hand. Das Mädchen sah ihn aus großen, entsetzten Augen an. »Muss ich jetzt sterben, wie die alte Myrsini?«
»Keine Sorge, Zoe«, versuchte Jannis sie zu beruhigen, obwohl er selbst am ganzen Körper zitterte. »Du wirst nicht sterben, dafür werde ich sorgen ...«
Jannis konnte kaum noch klar denken. Wenn Zoe nicht schleunigst Hilfe erhielt, würde sie den nächsten Tag nicht mehr erleben. Sie mussten diesen unglückseligen Raum so schnell wie möglich verlassen. Jannis band sich den Beutel an den Gürtel, zog Zoe auf die steinerne Bank nach oben und half dem geschwächten und zitternden Mädchen, durch die Öffnung nach außen zu gelangen. Dann krabbelte er mit Mühe hinterher und ließ sich auf der anderen Seite ebenfalls in die Tiefe fallen.
»Da seid ihr ja endlich«, flüsterte Nikos den beiden ungeduldig entgegen. »Was habt ihr denn so lange da drinnen gemacht?« Er gab seinem Bruder einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Mensch, ich dachte schon, ihr hättet mich hier draußen vergessen. Jetzt aber nichts wie heim. Du wirst staunen, Jannis, was ich erfahren habe über ...« Endlich stoppte er. »Mein Gott, Jannis, alles in Ordnung? Was hast du da? Was ist in dem Beutel? Doch nicht etwa das Gold?« In seinem Gesicht spiegelten sich Überraschung und Respekt.
»Doch, genau das.« Jannis nickte nur knapp. Wie sehr hatte er sich gewünscht, seinen Bruder so zu überraschen. Doch jetzt kreisten seine Gedanken ausschließlich um Zoe. Leise sagte er zu Nikos: »Sie ist gebissen worden, von einer Anthelion. Wenn wir nicht wie der Blitz für Hilfe sorgen, dann ...« Er wagte nicht, seine Gedanken in Worte zu fassen. Stattdessen griff er Zoe stützend unter einen Arm.
Nikos erblasste. »Wir müssen zu Schliemann, sofort, er wird wissen, was zu tun ist ...«
Das Gift in Zoes Körper begann inzwischen Wirkung zu zeigen. Sie hing geschwächt zwischen den Jungen und konnte kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Ihr Gesicht glühte und immer wieder stöhnte sie leise auf. Die Jungen trugen sie mehr, als dass sie sie stützten. Der Weg zum Ortsausgang schien endlos und sie waren mehr als auffällig. Was würde passieren, wenn man sie entdeckte? Was war, wenn jemand aus Aglaias Familie merkte, dass Jannis mitsamt dem Gold verschwunden war?
Keiner der drei wollte sich das ausmalen. Sie mussten es schaffen! Endlich erreichten sie
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