Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
obwohl ...« Jannis zögerte und wagte kaum weiterzusprechen.
Zoe verstand ihn nicht. »Obwohl was ...?« Fragend zog sie die Augenbrauen in die Höhe und blickte Jannis neugierigan, bis dieser mit einem kleinen Kopfnicken auf eine mannsgroße Kiste deutete, die mitten im Raum stand.
»Hat Nikos dir nichts gesagt? Na, obwohl doch hier ein Sarg steht.«
Zoe klammerte sich entsetzt an Jannis. »Ein Sarg? Ein echter Sarg? Meinst du, da ist jemand drin? Ein Toter?«, flüsterte sie.
»Ja, ich fürchte schon.« Jannis’ Stimme klang heiser. »Deshalb der Gesang der Klageweiber, erinnerst du dich?«
Zoe nickte schweigend.
Jannis rieb sich den Kopf. Er fühlte sich noch immer ein wenig benommen. »Ich muss vorhin eingeschlafen sein, stimmt’s?«
»Ja«, antwortete Zoe, »wahrscheinlich, weil du die Limonade getrunken hast.«
Langsam sickerte die Erinnerung an den Vormittag zurück in Jannis’ Bewusstsein. »Ich habe den Dicken gehört, den einen Dieb von der Grabung. Er war ganz in meiner Nähe. Ich habe sein Lachen und seine Stimme erkannt ...«
Zoe bekam es mit der Angst zu tun. »Dann lass uns verschwinden, bitte, Jannis, ich will hier weg!«
»Nein, warte.« Jannis erschrak selbst bei dem Gedanken, der ihm soeben durch den Kopf schoss: »Weißt du, Zoe, was ich glaube? Ich glaube, dass das Gold genau hier versteckt ist.« Er zeigte auf den verschlossenen Sarg.
Zoe starrte Jannis an. »Das Gold? Bei der Leiche?« Sie erstarrte und ein Zittern schüttelte ihren kleinen Körper.
»Ja, überleg doch mal: Könnte es ein besseres Versteck dafür geben? Wer sucht schon bei einer Leiche nach einem Schatz? Schon gar nicht dann, wenn die Leiche schon bald unter der Erde ist.«
Zoe brachte kein Wort über die Lippen.
Jannis flüsterte weiter: »Aber wir werden diesen Schatz bergen, denn wir brauchen Beweise, wir brauchen das Gold ...«
Zoe verstand und erschrak: Sie mussten den Sarg öffnen! Genau das hatte Jannis vor.
Von draußen hörten sie Nikos leise rufen, aber Jannis drückte ihr wortlos die Lampe in die Hand und machte sich daran, den Sargverschluss zu untersuchen, schob einen kleinen Riegel zur Seite und griff unter die schwere hölzerne Abdeckung. Er blickte Zoe kurz an. Seine Hände zitterten und er spürte einen dicken Kloß in seinem Hals. Dann dachte er an Nikos, der ihn so gerne ›Hasenfuß‹ nannte. Entschlossen hob er den Deckel in die Höhe. Zoe schloss die Augen.
Jannis blickte in das Halbdunkel des Kastens. Da lag sie tatsächlich, wie vermutet, die Leiche, doch glücklicherweise – Jannis atmete erleichtert auf – war sie zugedeckt, ein helles Leintuch bedeckte Kopf und Körper, nur die Nasenspitze zeichnete sich als kleine Erhebung unter dem Stoff ab. Wie froh war Jannis, dass er der verstorbenen Person nicht ins Gesicht, nicht auf die geschlossenen Augen sehen musste. Während er seinen suchenden Blick durch das Innere des Sarges gleiten ließ, lief ihm ein eiskalterSchauer über den Rücken. Genau in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, was er gerade tat: Er hatte tatsächlich einen Sarg geöffnet und stand jetzt über eine Leiche gebeugt. Wenn er die Hand ausstreckte, würde er ihre eisige Kälte spüren, womöglich sogar die Totenstarre fühlen können. Ihm war alles andere als wohl bei diesem Gedanken.
Aber wo war er nun, der Schatz? Fast hoffte er, dass er sich getäuscht hatte, dass er hier nichts Besonderes entdecken würde und dass in dem Sarg nichts anderes läge als das, was tatsächlich hierhergehörte, nämlich ein Toter. Doch da, da lag etwas, zu Füßen des Verstorbenen, ein Sack aus grobem Stoff, genau solch einer, wie ihn die Diebe in der Nacht verwendet hatten. Er schluckte, blickte Zoe an, die es noch immer nicht wagte, auch nur ein Augenlid zu heben, und streckte schließlich die Hand aus. Vorsichtig, zaghaft, um nur nicht mit der Leiche in Berührung zu kommen, hob er den Beutel hoch. Er war schwerer als erwartet. Gerade wollte er ihn an sich nehmen, da verfing er sich in dem hellen Stoff, der über die Leiche gebreitet war. Das dünne Tuch rutschte vom Gesicht des Toten. Jannis stieß einen leisen Schrei aus, woraufhin Zoe unwillkürlich ihre Augen öffnete. Beide blickten auf das blasse Gesicht mit den eingefallenen Wangen und den tiefen Augenhöhlen.
Zoe flüsterte mit zitternder Stimme: »Jannis, das ist ja eine Frau. Eine, die ich kenne. Das ist die alte Myrsini!« Sie war ganz aufgeregt. »Sie kam manchmal zu meiner Großmutter,um sie zu besuchen. Meine
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