Die diebische Elster und andere Geschichten (20 Kurzkrimis) (HML-MEDIA-EDITION) (German Edition)
warf ein paar Münzen auf den Tisch und ging mit wackeligen Schritten nach Hause.
*
Doch der Gedanke ließ sie nicht mehr los. Eine halbe Million! Damit müsste sie sich nicht mehr die Füße im Shop platt stehen. Sie traf sich nochmals mit dem Typen in der Kneipe und stellte fest, dass der das wirklich ernst meinte.
Ina begann, ihre Kollegen aus den Gemäldesälen zu beobachten. Nach ihrem Schichtende im Laden ging sie rüber in die Ausstellungsräume. Mit Block und Bleistift saß sie vor den Bildern. Uwe, der dickliche Wächter, kam zu ihr. „Ich wusste gar nicht, dass du dich für die Bilder interessierst“, sagte er.
Sie legte den Stift weg, mit dem sie ein paar Skizzen angefertigt hatte. „Klar, ich hab doch Kunst studiert.“ Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. „Kann ich dich auf deiner Runde begleiten?“
Er willigte sofort ein. Während sie ihn bequatschte, sah sie genau hin, wie er die Kombination für die Alarmanlage eingab. Sie merkte sich die Zahlen. Allerdings half ihr das nicht viel weiter. Das Gebäude war von außen gesichert, sie würde nachts nicht reinkommen. Und am helllichten Tag konnte sie kaum in den Saal marschieren und den Picasso aus dem Rahmen nehmen, auch wenn das Bild klein genug für eine Tasche war. Ina zermarterte sich den Kopf, doch ihr fiel nichts ein.
*
„Der Chef feiert Geburtstag“, flötete Inas Kollegin. „Nach Schließung treffen wir uns alle in der Cafeteria.“
Ina strahlte. Das war ihre Chance!
Als alle Besucher weg waren, wurde in der Cafeteria der Sekt geöffnet. Alle Angestellten waren dort versammelt. Nach dem ersten Anstoßen schlich Ina hinaus, lief in den Shop und holte eines der Poster in Originalgröße. Dann rannte sie in den Gemäldesaal, streifte Handschuhe über und stellte mit der Kombination die Alarmanlage ab. Sie nahm den Rahmen vorsichtig von der Wand, löste das Original und rollte es zusammen. Dann legte sie das Poster ein und hängte den Rahmen wieder zurück. Am nächsten Tag würde der Tausch natürlich auffallen, aber sicher würde man einen Profidieb vermuten, der das Bild in der Nacht geklaut hatte.
Ina eilte in den Shop und verstaute das aufgerollte Original in ihrem Rucksack. Dann mischte sie sich wieder unter die Feiernden und nahm ihr Sektglas in die Hand. Innerlich strahlte sie. Sie musste nur noch mit den anderen das Gebäude verlassen und schon stand ihrem neuen Reichtum nichts mehr im Wege.
Als zwei Stunden später Aufbruchsstimmung herrschte, platzte Uwe mit rotem Kopf in die Cafeteria.
„ Diebstahl!“, rief er atemlos. „Der Picasso ist weg, jemand hat ihn gegen eine billige Kopie ausgetauscht. Mir ist das bei meiner Runde aufgefallen. Die Polizei ist schon unterwegs.“
„ Niemand verlässt das Gebäude!“, schrie ihr Chef mit schriller Stimme, während alle durcheinander redeten.
Verdammt! Hitze schoss in Inas Kopf. Die Polizei würde sicher alles durchsuchen, auch ihren Rucksack. Wie zum Teufel sollte sie das Bild hinausschmuggeln?
Da fiel ihr was ein. „Ich hol nur meine Handtasche aus dem Shop, da ist mein Ausweis drin“, erklärte sie und machte sich auf den Weg.
Im Laden nahm sie das Original aus dem Rucksack. Sie konnte es nicht in eine Posterrolle stecken, das war zu gefährlich. Aber sie hatte eine andere Idee! Schnell machte sie sich ans Werk.
*
Den nächsten Vormittag hatte Ina frei. Die Befragung und Durchsuchung der Polizei hatte sie unbeschadet überstanden. Aus der Zeitung erfuhr sie von der fieberhaften Suche nach dem Bild. Wenn die wüssten, dass das Original direkt vor ihrer Nase hing!
Als sie nachmittags zu ihrer Schicht in den Laden kam, erstarrte sie. „Was ist hier los?“ Sie fixierte die kahle Wand.
„ Ach“, sagte ihre Kollegin. „Eine Studentengruppe aus Spanien war hier. Da kein echter Picasso mehr da ist, haben sie wie wild Poster gekauft.“
„ Aber dort…“ Ina zeigte auf die leere Stelle an der Wand. „Das war doch im Rahmen.“
Ihre Kollegin nickte. „Stell dir vor, das Poster hat ne junge Studentin gekauft, gleich komplett mit Rahmen und allem. Der Bus fuhr gerade ab.“
Ina sank auf einen Stuhl. Sie war genauso weiß wie die leere Wand.
9. Der nervige Nikolaus
Toni ist geübter Taschendieb und sein Revier ist der Adventsmarkt. Wenn ihn nur dieser nervige Nikolaus nicht ständig mit seinen dämlichen Sprüchen malträtieren würde …
Toni liebte die Vorweihnachtszeit.
Nicht, weil er besonders romantisch veranlagt war, sondern weil es für ihn als
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