Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
Vom Netzwerk:
gewisser Weise ein System von Bürgen: Falk kennt Markus, Markus kennt Rüdiger. Wenn Markus sagt, dass Falk dem Rüdiger vertrauen kann, dann ist Markus die Referenz. Falk kann also Rüdiger vertrauen, selbst wenn sie sich nicht kennen. Und so wächst dieses »Netz des Vertrauens«.
    Eine der größten »Web of Trust«-Anwendungen im Netz hat ganz konkret mit Ihrem Sofa zu tun. Couchsurfing heißt eine Community im Netz, die für nichts anderes da ist, als Schlafplätze zu vermitteln. Wem würden Sie Ihr Sofa zur Verfügungstellen, um dort zu nächtigen? Kann man wirklich wildfremde Menschen einfach in die eigenen vier Wände lassen? Und will man einfach bei wildfremden Menschen auf dem Sofa übernachten? Es kann allerdings auch sehr spannend sein: Menschen aus anderen Ländern zu treffen, die für kurze Zeit da sind und dann auch wieder verschwinden. Ein guter Gast ist bekanntermaßen wie frischer Fisch: Nach drei Tagen fängt er an zu müffeln. Man kann dadurch jedenfalls ohne großes Risiko seinen eigenen Horizont erweitern, man kommt mit anderen Kulturen in Kontakt. Und es ist ein Geben und Nehmen. Wer sich als Gastgeber oder als Gast »bewährt«, der wird in diesem System belohnt. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass andere Gäste oder Gastgeber Vertrauen entgegenbringen und auf ein Angebot oder eine Nachfrage positiv reagieren.
    Nutzer vertrauen also Nutzern. Das ist durchaus nicht risikofrei. Ein einfaches Beispiel hierfür sind soziale Netzwerke wie Facebook: Viele Nutzer akzeptieren Menschen als Kontakte, mit denen sie gemeinsame »Freunde« haben   – ohne bei ihren Freunden nachzufragen. Und weil die eigenen Freunde dann sehen, dass man mit diesem Menschen »Freund« ist, schenken auch diese diesem Kontakt Vertrauen   – ohne nachzufragen, ohne zu prüfen. Dies führt im »Web of Trust« auch zu Kontakten, die eigentlich nicht als vertrauenswürdig klassifiziert sind.
    Ganz ähnlich verhalten sich Nutzer oft gegenüber wirtschaftlichen Interessen im Netz: Angeboten, von denen Freunde sagen, dass sie diese nutzen, wird Vertrauen entgegengebracht. Ob dieses Vertrauen wirklich gerechtfertigt ist, danach wird gar nicht erst gefragt. Kann ein Service, der günstigere Schuhe als im Laden verspricht, denn wirklich schlecht sein, wenn 20   Freundinnen diesen in Anspruch nehmen? Die logische Antwort lautet anders als die spontane: Natürlich kann es ein schlechtes Angebot sein. Wir Menschen sind zu einem gewissen Maß Herdentiere und stellen keineswegs den ganzen Tag die Entscheidungen unserer Mitmenschen in Frage, selbst wenn diese eigentlich unbegründet oder schlicht falsch sind. Menschen vertrauen menschlichen Entscheidungen. Gegenüber automatisierten, berechnungsbasierten Maschinenentscheidungen haben sie eine wesentlich größere Skepsis. Zwar sind auch diese von Menschen konstruiert, aber anders als Menschen verändern sie ihr Vorgehen nicht nur deshalb,weil neue Faktoren eine Revision ihrer Einschätzung nötig erscheinen lassen. Auch wenn der normale Nutzer manchmal nicht diesen Eindruck hat, ein Computer ist eine Maschine, die einfach nur Befehle ausführt.
    Wir stolpern also fröhlich im Internet herum und vertrauen. Erst wenn wir betrogen, hintergangen oder benachteiligt wurden, denken wir darüber nach, was hier vielleicht schiefgelaufen sein könnte. Ist das klug? Eher nicht. Ist das verständlich? Absolut. Denn kein Mensch kann die komplexen Prozesse, die sich hinter einer vermeintlich klaren und einfachen Oberfläche verbergen, alle persönlich nachverfolgen und überprüfen. Das gilt für den Becher mit Bio-Joghurt genauso wie für den Katalog eines Onlineversandhandels.
    Es gibt das Idealbild von den mündigen Bürgern und Verbrauchern, die jederzeit immer bestens informiert ihre individuellen Entscheidungen treffen. Aber es ist ein Idealbild. Normalerweise treffen wir unsere Entscheidungen innerhalb von verhältnismäßig kurzer Zeit auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Informationen und des offensichtlichen Angebots. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wir ein Gericht in der Kantine auswählen (wir entscheiden uns öfter für die Angebote auf unserem Laufweg), im Supermarkt einkaufen oder eine politische Partei wählen. Nur in der Theorie stehen uns unendlich Zeit und Ressourcen für eine Entscheidungsfindung zur Verfügung. Wir wägen ab zwischen dem, was wir zu wissen glauben, dem, was wir bereit sind zu investieren, und unserem Bedürfnis, einem Produkt oder einer

Weitere Kostenlose Bücher