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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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einfach abstellen kann. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages kann soetwas eigentlich nicht fordern. Oder doch? Auf Nachfrage versicherte Siegfried Kauder, dass er genau das meint. Doch, er wolle den Menschen auch den Zugang zum Internet sperren   – für einige Wochen, das könnte er sich vorstellen. Prompt wurde im Netz dafür der Name »Kauderstrike« kreiert, eine Mischung aus seinem Namen, dem früher beliebten 3- D-Ballerspiel »Counter Strike« und eben jenem 3-Strike -Modell.
    Mit seiner Äußerung löste Kauder natürlich eine Welle der Empörung und des Spotts aus. Das hat ihn sicher gekränkt, sofern er es mitbekommen hat. Die Nutzer beließen es nicht bei Hohn und Spott. Sie nahmen den Internetauftritt des Politikers unter die Lupe. Und siehe da: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses benutzte auf seiner Seite Bilder, die auch an anderer Stelle im Netz existierten, beispielsweise von einer Burg in seinem Wahlkreis im Schwarzwald. Daraufhin kontaktierten die Nutzer die vermutlichen Fotografen, um nachzufragen. Konnte es sein, dass ein Politiker, der gerade die schärfsten Sanktionen bei Urheberrechtsverstößen gefordert hatte, selbst gegen das Urheberrecht verstößt? Und dann auch noch der Vorsitzende des Rechtsausschusses? Die Antwort Kauders ließ auf sich warten. Per Pressemitteilung ließ er schließlich wissen: »Ich bitte im Übrigen zur Kenntnis zu nehmen, dass die Urheberrechte an den beiden Fotos inzwischen mir zustehen.«
    Das hört sich so an, als sei die Sache damit erledigt. Aber das ist doppelt falsch. Erstens wusste einer der Fotografen nichts davon. Zweitens, und das dürfte einem im Parlament auch für das Urheberrecht zuständigen Juristen nicht passieren, hätte er wissen müssen, dass man nach deutschem Recht das Urheberrecht nicht erwerben kann. Es liegt unveräußerlich beim Urheber selbst, dieser kann nur eine Nutzungslizenz einräumen, so wie dies zum Beispiel die beiden Autoren dieses Buches gegenüber dem Verlag getan haben, der dieses gedruckt und vertrieben hat. Auf diese Weise wird Politikverdruss gefördert. Die Internetnutzer vertrauen zwar ihren Politikern nicht mehr, aber zum Schweigen bringen sie sie nicht. Unverdrossen melden sie sich zu Wort: Wie es der Berliner Blogger Max Winde anlässlich der Verabschiedung des Zugangserschwerungsgesetzes sagte: »Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.« Noch beschränkt sich der Großteil des politischen Engagementsder Netzgeneration auf Abwehraktionen gegen die entschlossene Ahnungslosigkeit der Altpolitiker. Doch wie lange noch?
    Ein aus der Frustration über Politik entstandener Weg ist der der Piratenpartei. Sie wird medial als ein Stellvertreter ebenjener Kritik wahrgenommen, auch wenn nur wenige ihrer Akteure tatsächlich aktiver Teil der Netzbewegung im weiteren Sinne waren. Und sie ist an der Urne erfolgreich, zog bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin nach steilem Endspurt mit 15   Abgeordneten in das Landesparlament ein. Offenbar gelang es ihr, als Alternative zu den etablierten Parteien wahrgenommen zu werden   – und zwar als Alternative mit einer reellen Chance auf den Parlamentseinzug. Die Geschichte der Piratenpartei hängt unmittelbar mit der Fehlbarkeit und Ignoranz der klassischen Parteien und dem sich daraus ergebenden Mangel an Dialog zwischen Netznutzern und institutionalisierter Politik zusammen. Für die einen ist das Netz Normalität, für die anderen ein Fremdkörper.
    Doch was die Digitalisierung politisch eigentlich bedeutet, darauf haben die Piraten, die in ihren Prozessen nicht nur die Inhalte, sondern auch gleich die Form demokratischer Willensbildung einer Komplettevaluation unterziehen wollen, bislang kaum Antworten geliefert. Ob beim Urheberrecht, dessen Versagen zur Gründungsgeschichte der Piraten fest dazugehört, oder bei Netzsperren: Die Piraten sind vor allem eine Gegenbewegung. Das ist gesellschaftlich notwendig und sinnvoll. Bislang beschäftigen sie sich vor allem mit dem Erlernen von Politik, von internen Prozessen, und mit der Frage, ob sie eine Partei sein wollen, die nur bestimmte Themen   – die digitalen   – behandelt, oder eine Partei, die sich zu allen politischen Feldern äußern will. Wohin ihre Reise führt und ob sie erfolgreich sein werden, wird sich zeigen. Aber eine wichtige Funktion erfüllt die Piratenpartei auf jeden Fall, auch wenn sie nach ihren ersten Erfolgen derzeit an öffentlicher Sympathie einbüßt: Sie

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