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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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funktioniert der politische Prozess dort oft erstaunlich gut. Allerdings fehlt diesem Apparat, was Demokratie wirklich ausmacht: die demokratische Komponente   – weil die Mitgliedstaaten dies schlicht nicht wünschen.
    Von außen betrachtet stellt es sich oft so dar: Es gibt da »die EU«, oder einfacher: »Brüssel«. Die beschließen etwas, was dann hierzulande Gesetz wird. Und alle paar Jahre sollen wir ein E U-Parlament wählen, das selbst keine Gesetze initiieren kann, das oft gar nicht gefragt wird und in dem irgendwelche Leute sitzen, die nach nationalen Gesichtspunkten ausgewählt sind. Wie so oft ist die Wahrheit deutlich komplexer, im positiven und im negativen Sinn. Auf jeden Fall verdient die EU mehr Aufmerksamkeit, als ihr in der Regel zukommt, wenn nicht gerade Euro-Krise ist.
    Denn was in Brüssel geschieht, ist für uns oft viel wichtiger als die tagesaktuellen Selbstbespiegelungsdebatten im Bundestag. Kaum ein Thema, das wir national diskutieren, ist ohne europäische Komponente. Das betrifft die sogenannte innere Sicherheit, die Vorratsdatenspeicherung, den Datenschutz, das Urheberrecht oder auch die Frage, welche technischen Grundlagen mit Fördergeldern erforscht werden sollen. In vielen Fällen finden die maßgeblichen Prozesse der Gesetzgebung und Entscheidungsfindung nicht mehr in Berlin, Paris, Warschau oder Lissabon statt, sondern in den komplizierten und für Normalbürger kaum zu durchschauenden Institutionen und Gremien, Verträgen und Vertracktheiten der EU.   Dieses gefühlte Tohuwabohu schreckt nicht nur viele Bürger, sondern auch viele Journalisten ab. Eine ernsthafte Europaberichterstattung findet man nur in wenigen Zeitungen, Zeitschriften und anderen klassischen Medien. Stattdessen wird gerne über die Auswirkungen europäischer Gesetzgebung berichtet, manchmal Jahre, nachdem die maßgeblichen Prozesse bereits gelaufen sind und wenn die nationalen Parlamente nur noch über die konkrete Umsetzung in ihr jeweiliges Recht diskutieren. Wenn aber Politik unter faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht wird, dann fehlt ein zentrales Element der Demokratie, nämlich die Transparenz der politischen Prozesse. Von den vielgerühmten mündigen Bürgern muss man unter solchen Umständen dann blindes Vertrauen gegenüber Unbekannten erwarten.
    Ob wir jemandem vertrauen oder misstrauen, das liegt vor allem daran, wie wir unser Gegenüber einschätzen. Anhand unseres Wissens und unserer Erfahrungen versuchen wir uns ein
    Bild zu machen und eine Einordnung vorzunehmen, ob jemand »vertrauenswürdig« ist. Wenn es ein Unbekannter ist, den wir in einer Kneipe kennenlernen, dann denken wir darüber nach, was wir erzählen können und was nicht. Wenn es ein Unternehmen ist, dann suchen wir nach Kriterien, um seine Seriosität einschätzen zu können. Wenn es ein Politiker oder eine Politikerin ist, dann denken wir darüber nach, ob er oder sie wählbar ist. In jedem Fall greifen wir auf Wissen zurück, das wir haben oder zu haben glauben. Und das, was wir als Wissen bezeichnen, wandelt sich radikal in der digitalen Gesellschaft.

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    Wissen und Macht
    Was verleiht den Politikern Macht? Zum einen ist es die demokratische Delegation von Vertrauen. Mit dem Kreuz auf dem Wahlzettel wird die Aussage getroffen: »Ich, Wahlberechtigte/r, vertraue dir, der du kandidierst, bzw. ich vertraue deiner Partei, dass du das machst, was ich für gesellschaftlich richtig halte.« Dieses Vertrauen ist nicht grenzenlos, es basiert auf der Annahme, dass Politiker tun, was sie ankündigen, und nach »bestem Wissen und Gewissen« handeln. Natürlich wussten die meisten Wählerinnen und Wählern immer schon, dass Politiker nicht allwissend und auch nicht allmächtig sind. Aber heutzutage stehen ihnen andere Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung als früher. Falsche Entscheidungen, mangelnde Kenntnisse kommen sofort auf den öffentlichen digitalen Prüfstand. Nichts wird vergessen oder verschwindet in den Archiven. Gestern getroffene Aussagen können heute ganz rasch wieder hervorgekramt werden. Auch die Politik ist im digitalen Wandel begriffen. Bevor wir uns mit den Folgen befassen, müssen wir uns allerdings erst einmal fragen, was wir als Gesellschaft eigentlich wissen können.
    Wer in prähistorischen Zeiten wusste, in welcher Höhle ein Bär wohnt und in welcher man vor Unwettern geschützt ist, der hatte einen Überlebensvorteil, vergleichbar dem körperlicher Überlegenheit. »Was man nicht im Kopf

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