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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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online gestellt wurde, war das Interesse an der Originalquelle zunächst eher gering. Wichtige Infos hatten frühere Medienberichte ja bereits verbreitet. Am darauffolgenden Dienstag erreichte die netzpolitik.org-Redaktion gegen Mittag eine E-Mail mit der Überschrift »Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen«. Die Rechtsabteilung der Deutschen Bahn AG schickte vorab per E-Mail eine Abmahnung mit der Aufforderung, das Dokument von der Seite zu entfernen und bis zum kommenden Freitag eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dabei wurden die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie die Einleitung von strafrechtlichen Schritten angedroht.
    Anstatt der Aufforderung nachzukommen, stellten wir die Abmahnung auf netzpolitik.org online, dazu die Nachfrage, was man jetzt tun sollte. Wir wollten einerseits juristischen Rat einholen, inwiefern die Drohung der Deutschen Bahn AG ernst zu nehmen sei, und andererseits Aufmerksamkeit auf das Dokument lenken in der Hoffnung, dass dieses schnell überall im Netzgespiegelt werden würde. Wenn Juristen mehrheitlich der Meinung waren, dass der Aufforderung nachzukommen sei, konnte man das Dokument immer noch von der Seite nehmen. Aus der Welt wäre es damit nicht mehr gekommen.
    Die Aufmerksamkeitsspirale begann gegen 15   Uhr, als der Artikel online ging und der Link über Twitter verbreitet wurde. In den ersten Stunden retweeteten Hunderte Twitter-Nutzer den Link, und einige Blogs schrieben über die Geschichte. Viele Leser des Blogs spiegelten innerhalb der ersten Stunde das Dokument auf zahlreichen Plattformen. Nach drei Stunden erschienen die ersten Online-Medienberichte, aber für eine Stellungnahme der Deutschen Bahn AG war es an diesem Tag schon zu spät. In den kommenden Tagen schaukelte sich die Geschichte weiter hoch, immer mehr klassische Medien berichteten darüber. Das Davidgegen-Goliath-Element dieser Blogger-Geschichte trug sicher zur Aufmerksamkeit bei. Ebenso war der Überwachungsskandal zu der Zeit eines der Topthemen aller Medien. Mehrere Parteien und Fraktionen sicherten bald darauf ihre Unterstützung zu, bei einem Unternehmen, das zu 100   Prozent in Staatseigentum ist, nicht ganz irrelevant.
    »Blogwart Mehdorn« titelte die ›taz‹ am darauffolgenden Donnerstag, während die Pressestelle der Deutschen Bahn AG immer noch darauf bestand, im Recht zu sein und ihr Anliegen gerichtlich durchzuziehen. Die überwältigende Mehrheit der kommentierenden Juristen war aber der Meinung, dass die Publikation von der Pressefreiheit gedeckt sei, da netzpolitik.org, auch wenn es sich um ein Blog handelte, ein redaktionelles Medium sei. Am Freitagnachmittag, eine Woche nach dem Beginn, endete dann die Auseinandersetzung mit der Aufgabe der rechtlichen Schritte durch die Deutsche Bahn AG: Goliath hatte kapituliert. Gegenüber einem Journalisten des Deutschlandfunks gab die Bahn eine Erklärung ab, dass man sich außerstande fühle, alle Kopien des Dokuments aus dem Netz zu bekommen.
    Die Bahn war in eine Falle getappt, die im Netz bereits einen Namen hat: Es ist der »Streisand-Effekt«. Die U S-Schauspiele rin und Sängerin Barbra Streisand versuchte im Jahre 2003 mit rechtlichen Schritten gegen eine Webseite vorzugehen, die ihr Anwesen aus der Luftsicht zeigte. Das Foto von Streisands Anwesen war nicht das einzige auf dieser Webseite. Sie zeigte rund12   000 andere Fotos von der Küste von Kalifornien. Aber erst durch Streisands rechtliche Schritte gab es eine Verknüpfung zwischen dem Foto und ihrer Person. Juristische Schritte sind etwas, was im Netz nur in Ausnahmefällen als Diskursmittel akzeptiert wird. Wenn diese als unbegründet wahrgenommen oder nur als Machtmittel empfunden werden, dann kann es wie in diesem Fall zu einer heftigen Gegenreaktion führen: Die Aufnahmen werden einfach an vielen Stellen im Netz gespiegelt. Rechtliche Schritte gegen eine einzige Webseite ergeben dann keinen Sinn mehr. Streisand und ihre Anwälte mussten schlussendlich aufgeben.
    Politiker und ihr Umgang mit dem Netz
    2007 schickte das AR D-Morgenmagazin eine Gruppe Sechsjähriger als Kinderreporter mit einem Kamerateam zu Spitzenpolitikern, um sie zum Thema Internet zu interviewen. Die munteren Kinder schafften es, den Politikern einige Aussagen zu entlocken, die seitdem zu keinem Text über Politiker im Netz fehlen dürfen. Für Guido Westerwelle war das Internet so was »wie ein Hammer und ein Nagel«, der damalige SP D-Fraktions vorsitzende Peter Struck schaute

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