Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Amnesty International und Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder Friends of the Earth nutzen das Netz, um auf Probleme aufmerksam zu machen, Betterplace, Kiva und GlobalGiving organisieren die Finanzierung kleiner Veränderungsschritte. Das Internet macht es einfach, Menschen für etwas zu interessieren, und auch, sie zu mobilisieren. Das gilt nicht nur für Menschenrechtsfragen. Auch Politiker und Parteien nutzen das Netz, um die Wähler anzusprechen, so die eventuell entscheidenden Prozente hinzuzugewinnen und ihre Ziele zu erreichen. Onlinekampagnen jeder Art funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Je mehr Menschen von etwas erfahren und sich einbringen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel erreicht wird. Dabei kann es sich um klassische politische Ziele handeln, um das Sammeln von Spenden oder einfach nur um Aufmerksamkeit für etwas.
Greenpeace startete 2006 eine Kampagne gegen den Hardwarehersteller Apple. Dieser hatte für seine Produkte giftige Materialien verwendet. Man verursachte Umweltschäden, wenn man seinen iPod wegwarf. Greenpeace lenkte die Aufmerksamkeit der Nutzer auf das Fehlverhalten dieses so populären Unternehmens, und zwar mit einer ausgefeilten Internetstrategie. Unter greenmyapple.org wurde die Seite von Apple geklont, und kritische Nachbildungen der Apple-Werbeanzeigen wurden produziert. Greenpeace forderte die Internetnutzer dazu auf, die auf dieser Seite zur Verfügung gestellten digitalen Rohmaterialien kreativ weiterzuentwickeln und im Netz zu verbreiten. Und die Nutzer wurden aufgerufen, an den Apple-Geschäftsführer Steve Jobs E-Mails zu schreiben und »ein grüneres Apple« einzufordern. Die Kampagne war erfolgreich. Nach knapp einem Jahr der öffentlichen Kritik gab Steve Jobs bekannt, dass Apple den Forderungen der Umweltschützer nachkommen wolle.
Greenpeace hatte eine gute Kampagnenstrategie: Man erledigte die eigentliche Drecksarbeit, die chemische Analyse von Apple-Produkten, und nutzte das Ergebnis dann als Basis der Kampagne, als der Konzern sich – anders als andere Hersteller von Hardware – nicht bereit zeigte, an seiner Produktion etwas zu ändern. Greenpeace sprach die Nutzer des Netzes an, die potenziellen Käufer, und ermutigte sie zu einem aktiven Eintreten gegen diese Firma, die doch sonst als so fortschrittlich galt. Greenpeace setzte auf die Kreativität der anonymen Masse dort draußen im Netz, als Verstärker der eigenen Aktivität.
Das ist heutzutage die Grundlage erfolgreicher Kampagnen im Internet: Die Basisarbeit wird von einigen wenigen geleistet. Diese informieren die Nutzer und animieren sie zum Mitmachen. Dabei setzen die Initiatoren ihrerseits auf die Initiative, die Kreativität und die Fähigkeiten der Nutzer sowie auf deren Bereitschaft, ihre Zeit dafür aufzuwenden. Im Fall der Greenpeace-Kampagne haben die Initiatoren dadurch auch dafür gesorgt, dass sie nicht einfach aus dem Netz verschwinden würde. Die Website, die weiterverarbeitet werden konnte, war ja offensichtlich eine Kopie der Apple-Website. Hätte Apple dagegen geklagt, hätte Greenpeace sie aus dem Netz nehmen müssen. Aber sie wäre dennoch im Netz weitergelaufen, selbst wenn die zentrale Seite nicht mehr verfügbar war. Und auch das ist ein Grundprinzip im Netz.
Barbra Streisand und die Deutsche Bahn
Was haben die Deutsche Bahn und das Haus von Barbra Streisand gemeinsam? Mehr, als man glauben könnte. Beide sind Beispiele dafür, dass man eine Information, die einmal in der Welt ist, nicht mehr unterdrücken kann. Anfang 2009 war die Deutsche Bahn AG in einen Skandal verwickelt. In der Öffentlichkeit wurde diskutiert, ob Mitarbeiter überwacht wurden und eine konzerneigene Rasterfahndung installiert wurde. Im politischen Berlin kursierte ein Vermerk des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit über ein Gespräch mit der Deutschen Bahn AG vom Oktober 2008 über die Geschäftsbeziehungen der Deutschen Bahn AG zu einem Überwachungsdienstleister. Einige Medien hatten darüber berichtet, aber nur kleine Auszüge daraus zitiert. Von einer Quelle wurde das Dokument an netzpolitik.org gesendet.
Dort wurde es, bereinigt von Datenspuren, online gestellt, sodass sich jeder selbst anhand der Originalquelle ein Bild machen konnte. In dem Vermerk wurden detailliert einige wenige Überwachungsmaßnahmen beschrieben. Einige Monate später kam heraus, dass dies nur ein kleiner Ausschnitt war. Da das Dokument an einem Samstag
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