Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
und zog sie nach hinten, wodurch der Luftstrom unter dem Fahrzeug automatisch verstärkt wurde. Ken hörte ein hohles Brausen und fühlte sich tief ins Polster gedrückt. Die Straße blieb unter ihm zurück. Der obere Rand des Tunnels glitt in bedrohlicher Nähe vorbei. Hauswände erschienen zu beiden Seiten.
    Jernigan drückte den Wagen vorsichtig nach unten, bis er in der vorgeschriebenen Fahrhöhe von dreißig Zentimetern über dem Belag der Fußgängerstraße schwebte. Die Straße machte einen gespenstischen Eindruck. Die bunten Fluorlampen brannten wie sonst, und die Schaufenster der Ladengeschäfte verbreiteten ihre gewohnte Lichtpracht. Aber von den Einkäufern und Neugierigen, die hier zu jeder Tages- und Nachtzeit auf- und abzugehen pflegten, war keiner mehr in Bewegung.
    Sie lagen an den Straßenrändern und mitten auf der Straße, lehnten kraftlos gegen Hauswände und hingen in verkrümmter Haltung über den Plastikbarren der Zapfstellen, an denen Hausfrauen die Batterien ihrer kleinen Einkaufswagen aufluden, während sie in den Läden herumstöberten.
    Ken bemerkte, wie Jernigan zögerte. Das Luftkissen, auf dem das Fahrzeug ruhte, war in Wirklichkeit ein recht turbulentes Gebilde, das winzige Staubpartikel, wie es sie selbst auf der saubersten Straße zu Milliarden gab, mit hoher Geschwindigkeit mit sich riß. Einige von denen, die bewußtlos auf der Straße lagen, würden verletzt werden, wenn er über sie hinwegfuhr.
    Er warf Ken einen fragenden Blick zu. Ken nickte.
    »Wir müssen es darauf ankommen lassen«, beantwortete er die unausgesprochene Frage.
    Jernigan beschleunigte. Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett und brummte:
    »Noch fünfundzwanzig Minuten, und die meisten von denen sind nicht mehr am Leben.«
    Er machte eine vage Geste zur Frontscheibe hinaus. Der Wagen glitt jetzt mit etwa achtzig Kilometern pro Stunde die Straße entlang. Ken warf einen Blick nach hinten. Ein paar Bewußtlose, die in den Sog des Luftkissens geraten waren, rollten träge über den mattschimmernden Straßenbelag.
    Jernigan hatte recht. Die Polizei von Cocoa, Orlando und Daytona – selbst wenn sie rechtzeitig eintraf – konnte unmöglich mehr als ein paar tausend Leute in Sicherheit bringen. Der Rest würde umkommen, wenn es nicht gelang, den Ultraschallsender innerhalb der nächsten zwanzig Minuten auszuschalten. Weder Epcot, noch irgendeine andere Stadt im Bereich der Panamerikanischen Staatenorganisation war auf einen Fall wie diesen vorbereitet. Man rechnete damit, daß selbst in der gefährlichsten Situation wenigstens ein oder zwei Leute lange genug bei Bewußtsein bleiben würden, um den städtischen Komputer zu benachrichtigen und ihm klarzumachen, daß ein allgemeiner Notstand vorlag. Der Komputer würde dann von sich aus das Bundessicherheitssystem aktivieren und alle Schritte unternehmen, die notwendig waren, um die Gefahr zu beseitigen.
    In dieser Nacht hatte er wahrscheinlich zehntausend Anfragen wegen der Diagnose akuten Kopfschmerzes erhalten, aber keiner der Anrufer war auf die Idee gekommen, hinter seinem Kopfweh mehr zu sehen als eine vorübergehende Unannehmlichkeit.
    Der Komputer selbst hatte eine automatische Sicherheitsvorrichtung, die allgemeinen Alarm auslöste, wenn die Maschine innerhalb eines bestimmten, statistisch ermittelten Zeitraums keinen Anruf erhalten hatte. Die Benutzung des Komputers stand jedem Bewohner der Stadt kostenlos frei. Die Statistiker hatten ermittelt, daß der Epcot-Komputer im Durchschnitt zweimal pro Minute einen Anruf erhielt. Die Ruffrequenz während des Tages war rund fünfmal höher als in der Nacht. Die Statistiker hatten einen großzügigen Sicherheitsfaktor eingearbeitet. Einhundertundachtundsechzig Minuten mußten ohne Anruf vergehen, bevor das Elektronengehirn von sich aus Alarm schlagen konnte.
    Einhundertundachtundsechzig Minuten nach dem Anruf, bei dem Jernigan den Komputer die Position des Ultraschallsenders hatte ausfindig machen lassen – das war einhundertundzehn Minuten jenseits des Zeitpunkts, von dem an es für die Leute auf den Straßen und sonstwo in Epcot keine Rückkehr mehr gab.
    Die Straße, auf der der C5 sich bewegte, führte radial auf das Stadtzentrum zu. Jernigan hatte seine Bedenken vergessen. Um allen Hindernissen auszuweichen, hatte er die Fahrthöhe auf einen Meter gesteigert. Der Wagen bewegte sich jetzt im Hundertkilometertempo. Ken hatte es aufgegeben, zum Rückfenster hinauszusehen. Der Anblick der rollenden Körper der

Weitere Kostenlose Bücher