Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
die über ihn hinwegflutete und ihn einen Atemzug lang paralysierte. Er hatte kaum mehr genug Kraft und Koordination, um einen Fuß vor den andern zu setzen, aber die Furcht trieb ihn mit unerbittlicher Härte.
    Nach einer halben Ewigkeit erreichte er den Interkom-Tisch. Die kleinen, bunten Kontrollampen verschwammen vor seinem Blick zu einem zitternden Vorhang. Er streckte die rechte Hand aus, um die Notsprechtaste zu drücken. Er konnte kaum mehr etwas sehen und mußte sich auf den Tastsinn der Finger verlassen. Die Hand glitt über einer Reihe kleinerer Schalter auf der Suche nach der großen, quadratischen Taste. Verzweiflung überkam Ken. Der mörderische Schmerz sog ihm die Kraft aus den Muskeln. Der linke Arm, mit dem er sich auf die Tischkante stützte, begann nachzugeben. Er mußte die Nottaste finden, oder er war endgültig verloren!
    Da schrillte der Summer. Das Geräusch wirkte auf Ken wie ein elektrischer Schlag. Er ließ die Hand fallen, wo sie gerade war. In den bunten Lichtvorhang mischte sich der weißblaue Schein des Bildempfängers. Eine Stimme sprach wie aus unendlich weiter Ferne:
    »Lohmer! Reißen Sie sich zusammen! Lohmer ...!«
    Kens Gedanken wirbelten. Er kannte die Stimme, hatte sie vor kurzem erst gehört.
    »Lohmer!« Hart und trocken, wie der Knall einer Explosion. »Nenu greift uns an!«
    Der Name rüttelte Ken auf. Nenu greift an! Er wußte jetzt, wessen Stimme er hörte. Alf Jernigans.
    »Lohmer! Sehen Sie mich an! Reißen Sie sich zusammen, verdammt noch mal!«
    Ken gehorchte. Als übte Jernigan über Interkom eine hypnotische Kraft auf ihn aus, gelang es ihm auf einmal, die Augen zu fokussieren. Das Bild auf der Mattscheibe des Empfängers wurde deutlicher.
    Jernigan trug eine Art Helm, ein lächerliches Ding, das wie eine altmodische Salatschüssel aussah. Er tippte mit dem Finger dagegen.
    »Hören Sie gut zu, Lohmer!« ermahnte er. »Das erste, was Sie brauchen, ist eine HF-Pfanne. Haben Sie eine im Haus?«
    Ken mußte nachdenken. Ja, er hatte eine HF-Pfanne.
    »Gut. Stülpen Sie sie sich über den Kopf – so wie ich.«
    Ken nickte.
    »Jetzt – sofort!« schrie Jernigan.
    Ken wankte zur Küche. Der Schmerz wütete nach wie vor in seinem Gehirn, aber das Bewußtsein, daß er in seiner Not nicht mehr allein war, hatte ihm neue Kraft gegeben. Die Küchentür glitt vor ihm zur Seite. Die Tür des Geschirrschranks sprang auf, als er die Hand ausstreckte. Er zog eine Lade heraus, fand die HF-Pfanne, zerrte sie hervor und stülpte sie sich über den Kopf.
    Der Erfolg war verblüffend. Der Schmerz endete augenblicklich, als wäre er aus einem Gerät gekommen, das in diesem Augenblick abgeschaltet worden war. Ken kehrte zum Wohnzimmer zurück. Jernigans Bild war jetzt klar und deutlich. Jernigan schien erleichtert, als er Ken mit der Pfanne auf dem Kopf sah. Ken kam zu Bewußtsein, daß er jetzt genauso lächerlich aussah wie Jernigan.
    »Das hilft, wie?« grinste Jernigan. Es war das erste Mal, daß Ken ihn grinsen sah. »Aber freuen Sie sich nicht zu früh«, fuhr er warnend fort. »Die Wirkung ist nicht völlig verschwunden. Es kommt Ihnen nur so vor, weil die Intensität so plötzlich verringert wurde.«
    Ken kam allmählich zu sich.
    »Was ist das für ein Gerede über Nenus Angriff?« erkundigte er sich.
    »Die ganze Stadt liegt unter einem Ultraschallfeld von unglaublicher Stärke«, antwortete Jernigan. »Es ist durchaus möglich, daß wir beide in diesem Augenblick die einzigen Leute bei Bewußtsein sind. Ich bin überzeugt, daß die Sache von Nenu und ihrer Wachtruppe ausgeht. Sie haben Ihre Spur gefunden und wollen dafür sorgen, daß Sie ihnen nicht mehr in die Quere kommen können.«
    Das klang plausibel. Ken empfand eine Art leiser, unlogischer Enttäuschung darüber, daß Jernigan die Dinge soviel deutlicher sah als er.
    »Was tun wir?« erkundigte er sich.
    »Ich habe die Polizei in Orlando, Cocoa und Daytona verständigt«, antwortete Jernigan. »Sie sind auf dem Weg hierher, aber ich weiß nicht, wie nützlich sie sein werden. Die Lage ist die: Der Schmerz, den die Ultraschallbestrahlung hervorruft, ist eine reine Nervenreaktion. Sobald die Leute in Ohnmacht fallen, sind sie erlöst. Hält die Bestrahlung jedoch länger an, wird die Gehirnsubstanz selbst in Mitleidenschaft gezogen. Mit anderen Worten – wenn es uns nicht gelingt, den Schallprojektor im Laufe der nächsten Stunde auszuschalten, dann haben wir morgen früh vierzigtausend Tote an der Hand.«
    Ken

Weitere Kostenlose Bücher