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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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den Mikropunktor.
    »Es muß eine kleine Umprogrammierung vorgenommen werden«, erklärte der Roboter, während er aus dem Beutel, in dem er einen Großteil seines Gepäckes trug, einen kleinen Fusionsgenerator und ein Schweißgerät zum Vorschein brachte. Ein glitzernder, scharf gebündelter Strahl von Elektronen sprühte aus der Düse des Schweißers, als er sie auf die Oberfläche des Mikropunktors richtete. »Koris Befragung hat uns ein ganzes Stück weiter vorwärtsgebracht. Wir kennen jetzt sogar den Sektor des Wahrnehmungsmechanismus, mit dem Nenu und ihre Leute ihre eigene Welt wahrnehmen. Das erleichtert unsere Suche. Anstatt uns auf Tausenden von Welten umsehen zu müssen, haben wir es nur noch mit wenigen hundert zu tun.«
    Das, fand Ken, war ein akademischer Trost. Er hatte sich damit abgefunden, von jetzt an für eine lange Zeit von einem Universum zum andern zu pendeln, und es schien nicht allzuviel Unterschied zu machen, ob es sich um Hunderte oder Tausende von Universen handelte, die sie absuchen mußten, bevor sie das richtige fanden.
    Jernigan hatte das Innere des Mikropunktors bloßgelegt und produzierte aus seinem Beutel eine Mehrzweckpinzette, mit der er in den komplizierten Schaltungen des Geräts herumstocherte.
    »Nenus Welt wird sehr einfach zu erkennen sein«, sagte er dabei. »Sie begeht den alten Fehler aller Diktatoren. Sie identifiziert sich mit einem Symbol und stellt das Symbol überall zur Schau.«
    Ken warf einen raschen Blick auf die Mündung des Spalts. Noch war alles ruhig. Die Polizisten hatten ihre Spur noch nicht gefunden.
    »Das X mit dem Querstrich?« fragte er.
    »Wir nennen es ein Chi«, antwortete Jernigan. »Das griechische Chi sieht genauso aus wie das lateinische X. Chi-Bar, das Chi mit dem Balken.«
    Ken hob einen trockenen Zweig auf, der von irgendwoher in die Spalte gefallen war, und zeichnete das Symbol in den sandigen Boden.
    »Chi-Bar«, murmelte er nachdenklich. »Und was ist damit?«
    »Nenu läßt ihre Untertanen keinen Augenblick lang vergessen, wem sie zu gehorchen haben. Über ihrer Welt schweben gigantische Raumstationen, jede wie das Chi-Bar geformt. Tagsüber glimmen sie rötlich. In der Nacht leuchten sie in grellem, bläulichem Schein.«
    Ken sah unwillkürlich in die Höhe.
    »Wir brauchen also nur den Kopf in den Nacken zu legen«, sagte er amüsiert und nachdenklich zugleich. »Wenn wir das glitzernde Chi-Bar über uns sehen, wissen wir, daß wir auf Nenus Welt gelandet sind.«
     
    *
     
    Jernigan legte letzte Hand an den Mikropunktor, als von jenseits der Spaltmündung das Geräusch eines Schwebers hörbar wurde. Ken kroch auf die Mündung zu. Ein Schweber hing kaum fünfzig Meter unterhalb des Spalts, nur wenige Meter von der Wand entfernt. Andere Fahrzeuge glitten rechts und links langsam die Felswand empor, auf der Suche nach den Flüchtigen.
    Ken drehte sich um. Jernigan hielt den fertigen Mikropunktor in der Hand. Ken kehrte zurück und streifte das elastische Band über den Kopf. Aus einem Grund, den er selbst nicht begriff, fühlte er sich sicher und geborgen, sobald er den kühlen Druck des Mikropunktors auf dem Nacken spürte.
    Das Motorengeräusch der Schweber wurde lauter.
    »Es ist Zeit«, sagte Jernigan ruhig.
    Ken führte die Hand zum Nacken und drückte auf den roten Auslöseknopf. Es würde ein paar Sekunden dauern, bis er die Wirkung spürte. Jernigan beobachtete ihn aufmerksam. Ein kräftiger Windstoß, von den Robotern des Schwebers aufgewirbelt, fauchte durch die Spaltmündung herein.
    Ken bemerkte, wie die Welt sich vor seinem Blick zurückzuziehen begann. Sein Blickwinkel verengte sich. Jernigan, die Wände des Spalts, die Staubwolken, die der Schwebermotor aufwirbelte – alles wich vor ihm zurück. Das Heulen des Motors wurde zu einem dumpfen Dröhnen, das in einem Schädel widerhallte. Der Schatten, den der Schweber warf, als er die Höhe des Spalts erreichte, schien in Kens verzerrter Perspektive wie ein Stück fester Materie, das sich zwischen ihn und das Bild schob.
    Dann setzte das Gefühl des Fallens ein. Das Bild verschwand völlig, und an seine Stelle trat eine wirbelnde Folge von Schemen, flüchtig und verwaschen, keines deutlich genug, als daß das Auge an ihm haften könnte – ein kaleidoskopischer Reigen von optischen Reflexen, die keinen Sinn ergaben und keinen Sinn ergeben wollten, weil der Sinn selbst eine Erfindung des Menschen war, eine Krücke, mit deren Hilfe sich sein lahmer Geist, befallen von der

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