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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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möglich über die Verhältnisse dieser Welt zu erfahren.«
    Er war nicht sicher, ob er wirklich meinte, was er sagte. Der Gedanke war ihm durch den Kopf geschossen, daß Dado sich hier irgendwo befinden mußte. Die Sorge um Dado war die wahre Triebkraft, die ihn bewegte, und je eher sie etwas unternahmen, desto schneller kam er in die Lage, sich auf eine konkrete Aufgabe zu konzentrieren, anstatt über Dados Wohl und Wehe nachzugrübeln.
    »Natürlich«, bestätigte Jernigan. »Aber bevor wir den ersten Schritt tun, müssen wir einiges bedenken. Zum Beispiel: Wir befinden uns auf einer Welt, die von Nenu und Konsorten absolut regiert wird. Sie kennen Beispiele absoluter Regierung aus Ihrer eigenen Geschichte. Wodurch zeichnet sie sich in erster Linie aus? Durch ein Unmaß an staatlichen Kontrollen und polizeilicher Aktivität. Jeder hergelaufene Fremde kann monatelang durch Ihre Heimatstadt Epcot spazieren, ohne auch nur ein einziges Mal mit einem Polizisten in Kontakt zu kommen, solange er sich an die Vorschriften hält. Auf dieser Welt können wir solche Laxheit nicht erwarten. Wir müssen ständig auf der Hut sein. Wir weichen allem aus, was uniformiert ist. Eine einzige Kontrolle, und wir sind verloren.«
    Ken nickte mürrisch. Die Suche nach der Welt des Chi-Bar war viel zu hastig vor sich gegangen, und hinter seinen Bemühungen steckte viel zu eindeutig die rein emotionelle Sorge um Dado anstatt eines logischen Motivs, als daß er sich über solcherart Details bisher den Kopf zu zerbrechen Gelegenheit gehabt hätte. Jernigan war ihm über.
    Er mußte ihm über sein. Schließlich war er ein Robot, und sein elektronisches Gehirn, von allen Gefühlsregungen befreit, hatte keine andere Aufgabe als die, streng logische Gedanken zu wälzen.
    Sie machten sich auf den Weg. Der Hain endete wenige hundert Meter von der Stelle, an der sie gelandet waren. Flaches, unbebautes Land dehnte sich zwischen ihnen und der Stadt. Der kleine, grelle Ball einer gelben Sonne stand hoch am Himmel und verbreitete stechende Hitze. Ken orientierte sich. Es mußte etwa Mittag sein. Willkürlich fixierte er die Richtung, in der die Sonne stand, als Süd. Die Stadt lag in nordöstlicher Richtung. Am südöstlichen Horizont bewegten sich mit beachtlicher Geschwindigkeit die Aufbauten von Fahrzeugen. Das Niveau der Straße, auf der sie fuhren, lag tiefer als das Land.
    Jernigan hielt querfeldein auf die Stadt zu. Ken folgte ihm und merkte zum erstenmal, wie müde und zerschlagen er war. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, seitdem sie Palamera verlassen hatten. Seine Uhr war um vierzehn Stunden weiter vorgerückt, aber woher wollte er wissen, ob mechanische Uhren die Zeit richtig maßen, wenn sie von einem Universum zum andern wanderten.
    Kurz vor der Stadt stießen sie auf eine schmale, von brüchigem Asphalt überzogene Straße. Jernigan, der bisher alle Straßen sorgfältig vermieden hatte, hatte keine Bedenken, sich ihr anzuvertrauen. Sie wirkte verlassen und machte nicht den Eindruck, als würde sie häufig benutzt.
    Die ersten Häuser kamen in Sicht, flache, anspruchslose Bauten, in denen farblose, anspruchslose Menschen wohnten. Ken hatte ähnliche Häuser gesehen – in Filmen, die über die Siedlungskultur der Erde vor neunhundert Jahren berichteten. Kinder spielten auf der Straße, schmutzig gekleidet, aber nach der Art aller Kinder zu sehr in ihr Spiel vertieft, als daß sie die beiden fremden Wanderer wahrgenommen hätten. Hin und wieder zeigte sich eine Frau in einem der verwahrlosten Gärten. Sie bedachte sie mit einem kurzen Blick und wandte sich dann dem wieder zu, womit sie beschäftigt gewesen war, als die Fremden in ihrem Blickfeld erschienen. Sie wirkten merkwürdig beklommen, als fürchteten sie sich, Dinge zu sehen, die nicht in ihren Alltag gehörten.
    Die Stadt war nicht besonders groß – eine Tatsache, die Jernigan gelegen zu kommen schien. Die brüchig asphaltierte Straße mündete zwanzig Minuten später auf eine breite Hauptverkehrsader, auf der mäßig starker Fahrzeugverkehr in beiden Richtungen floß und an deren Rand sich die Gebäude erhoben, die Ken vom Hain her gesehen hatte.
    Der trostlose Anblick der Straße erschreckte Ken. Es gab nur wenige Fußgänger auf den breiten Bürgersteigen. Die Schaufenster der Ladengeschäfte waren kaum dekoriert, die Fassaden der Hochhäuser altersgrau und schmutzig. Die ganze Stadt wirkte wie ein Wesen, das es nach langem, erfolglosem Streben schließlich

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