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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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aufgegeben hatte, sich zu mühen, und sich der Erkenntnis beugte, daß seine Zeit vorüber war und daß die Blüte, auf die es gehofft hatte, sich niemals ereignen würde.
    Die Aufschriften über den Ladengeschäften waren englisch. Die Kinder, die sie auf dem Weg hierher auf den Seitenstraßen hatten spielen sehen, sprachen Englisch. Ken, durch Hunderte von Welten verschiedener Gravitation verwirrt, hatte das ungewisse Gefühl, daß er auf diesem Planeten ebenso viel wog wie zu Hause in Epcot. Es war möglich, daß Nenus Welt der Erde weitaus ähnlicher war als zum Beispiel die, von der Jernigan kam, ihr vielleicht sogar vollständig glich – bis eben auf die Tatsache, daß ihre Menschen mißtrauisch und ihre Städte altersschwach und kraftlos wirkten und daß in der Luft ein Hauch von Drohung schwebte wie von einer unsichtbaren, grauenhaften Gefahr.
    »Wir wenden uns nach rechts«, entschied Jernigan, der mittlerweile die Rolle des Tonangebenden vollends und ohne Widerspruch von Kens Seite übernommen hatte. »Es gibt verschiedene Dinge, die wir unbedingt erfahren müssen.«
    Ken folgte ihm. Rechts war so gut wie links. Je schneller sie erfuhren, was sie wissen mußten, desto besser. Denn nach dem Kundschaften, hoffte er, würden sie Zeit haben, sich auszuruhen, und Ruhe war genau das, was er nötiger brauchte als irgend etwas anderes.
    Mürrisch und müde, ohne sie wirklich wahrzunehmen, starrte er auf die wenigen Fahrzeuge, die die Straße befuhren. Die meisten schienen die Stadt nur zu passieren. Es gab keine neugierigen, mißtrauischen Blicke. Die Fahrer lagen bequem zurückgelehnt in den Polstern oder starrten mit reglosem Blick auf die Fahrbahn.
    Ken fühle sich plötzlich bei der Schulter gepackt.
    »Rasch!« zischte Jernigan ihm ins Ohr. »Dort kommt Polizei!«
    Ken wußte nicht, was er tun sollte. Er war dankbar dafür, daß Jernigan ihn führte. Er zerrte ihn in eine Einfahrt. Vor einem Gittertor, das zehn Meter tief zwischen zwei Hauswände eingebaut war, hielt er an.
    »In den Schatten, los!« befahl Jernigan.
    Ken preßte sich gegen die Wand. Er wandte den Kopf, so daß er auf die Straße hinaussehen konnte. Auf der näherliegenden Seite der Straße bewegte sich in westlicher Richtung mit geringer Geschwindigkeit ein Fahrzeug, das niemand aufgefallen wäre, wenn es nicht langsamer als alle anderen und obendrein auf der falschen Seite der Straße gefahren wäre.
    Es glitt vorbei, ohne Ken und Jernigan wahrzunehmen. Ken atmete auf. Er hatte keine genaue Vorstellung, was er von Polizisten dieser Welt zu gewärtigen hatte, aber vorläufig war es ihm lieber, daß sie vorbeigefahren waren, ohne sich um ihn zu kümmern. Er fragte sich, wie sie auf dieser Welt jemals in dem Tempo, das das Ziel ihres Unternehmens erforderte, vorwärtskommen sollten, wenn sie ständig auf der Hut vor Polizei und auf der Suche nach geeigneten Verstecken sein mußten.
    Jernigan schien derlei Sorgen nicht zu haben. Er machte den Anschein eines Mannes, der wußte, was er vorhatte. Er griff Ken beim Arm.
    »Kommen Sie. Wir haben noch einiges vor.«
    Sie traten aus der Einfahrt. Der Polizeiwagen befand sich zweihundert Meter zu ihrer Linken. Er fuhr immer noch auf der falschen Straßenseite, und Fahrzeuge, die ihm entgegenkamen, wurden vom Funkleitsystem sorgfältig um ihn herumdirigiert.
    Jernigan hielt sich nach rechts. Sie bewegten sich schnell, jedoch nicht so schnell, daß sie unter der kleinen Menge von Fußgängern aufgefallen wären. Ken hatte Gelegenheit festzustellen, daß ihre Kleidung der Mode der Chi-Bar-Welt in ungefähr entsprach. Hier, in der Mitte der Stadt, erregten sie keinerlei Aufsehen.
    Vor einem hohen Gebäude hielt Jernigan plötzlich an. Ken, der müde vor sich hintappte, prallte gegen ihn.
    »Wir sind da«, verkündete Jernigan, und bevor Ken sich noch vergewissern konnte, was er meinte, hatte er ihn am Arm und führte ihn über eine breite Rolltreppe zu einem gläsernen Portal hinauf. Ken las die goldene Aufschrift, die sich über beide Glasflügel spannte:
    POLIZEIPRÄFEKTUR VAERTIN
    Ken blieb stehen.
    »Sie sind verrückt«, brummte er. »Erst reißen wir vor einem Polizeiwagen aus, und dann haben Sie nichts Eiligeres zu tun, als uns beide dem Polizeikommandanten vorzustellen.«
    »Es ist notwendig«, drängte Jernigan. »Glauben Sie mir!«
    »Warum?« fragte Ken störrisch.
    Jernigan besaß die Fähigkeit, sich ebenso erregt zu geben wie ein Mensch.
    »Wir haben keine Zeit«, ereiferte er sich. »Ich

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