Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
begann, und der Gedanke verschaffte ihm ein paar Augenblicke Erleichterung.
    Dann kehrte er zur Wirklichkeit zurück. Noch war es nicht an der Zeit, den Knopf zu drücken. Er mußte das Beste aus der Lage machen, in der er sich befand. Er war auf Nenus Welt, und das war ein Vorteil, der unbedingt ausgenutzt werden mußte.
    Er ging auf die Tür zu. Es gab nirgendwo einen Öffnungsmechanismus. Er streckte die Hand aus, um die Türfüllung auf ihre Stärke zu prüfen. Einen Augenblick später, als sein Bewußtsein wieder einsetzte, lag er auf dem Boden und wand sich in Schmerzen. Über die Tür lief ein mattes, blaues Wabern und erlosch.
    Sie hatten die Tür durch ein Kraftfeld geschützt. Er brauchte sich dem Feld nur bis auf eine kritische Distanz zu nähern, und die Feldenergie floß durch seinen Körper ab. Wie ein elektrischer Schlag. Irgendwo auf einem Meßgerät würde es einen Ausschlag geben, und die Polizisten wußten, daß ihr Gefangener wieder bei Bewußtsein war. Schlau. Es war von jeher das Charakteristikum eines Polizeistaats gewesen, daß seine Technologie der Gefangenenbehandlung denen anderer Staaten weit überlegen war. Überdies konnte das Feld wahrscheinlich soweit verstärkt werden, daß die geringste Berührung zum Tod führte.
    Er kehrte zu seiner Pritsche zurück und legte sich wieder hin, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Er dachte nach. Die vordringlichste Frage war: Was sollte er von Jernigan halten?
    Jernigan war in Wirklichkeit einer von Nenus Agenten. Das schien die einzig vernünftige Schlußfolgerung, die sich aus seinem Verhalten ziehen ließ. Aber sie behagte Ken nicht. Ken Lohmer mochte ein Mann sein, der über dem Anblick einer klaffenden Fleischwunde ohnmächtig wurde und sich übergab, aber er konnte logisch denken. Wenn Jernigan wirklich ein feindlicher Agent war, dann war er einen sinnlos komplizierten Umweg gegangen, um einen von Nenus Gegnern den zuständigen Behörden auszuliefern. Nenu war nicht für Menschlichkeit bekannt. Jernigan hätte ihn ausschalten können, indem er einfach darauf verzichtete, ihn anzurufen, als Linth und Kori Epcot mit einem tödlichen Ultraschallfeld überschütteten.
    Gesetzt also den Fall, Jernigan war kein feindlicher Agent, wie ließ sich seine Verhaltensweise dann erklären?
    Die Tür hatte sich geöffnet. Draußen war es dunkel. In der rechteckigen Öffnung, von der Zellenlampe beleuchtet, stand Jernigan und lächelte.
    »Es wird Zeit, daß wir uns wieder auf den Weg machen«, sagte er freundlich.

 
11
     
    Ken folgte ihm wortlos. Er war froh, die stinkende Zelle verlassen zu dürfen, ganz egal, was Jernigan im Schilde führte. Durch einen langen, halbdunklen Gang gelangten sie in einen hellerleuchteten Raum, dessen Fenster von Jalousien bedeckt waren. Ken erkannte die Revierwache wieder, in der Jernigan ihn den beiden Polizisten ausgeliefert hatte.
    Ein Mann in graugrüner Uniform lag hinter einem der Schreibtische reglos am Boden. Jernigan sagte:
    »Er wird etwa drei Stunden lang bewußtlos sein. Aber in neunzig Minuten muß er eine Routinemeldung an die zentrale Meßstelle übermitteln. Wenn er das versäumt, wird man sich um ihn kümmern. Wir haben also anderthalb Stunden Zeit, um aus Periklon zu verschwinden.«
    »Periklon«, murmelte Ken dumpf.
    »Der Name dieser Stadt.« Jernigan deutete auf die Schaltkonsole des Schreibtischs. »Eine genauere Untersuchung der Schaltanlage wird innerhalb der nächsten fünfundzwanzig Stunden zutage fördern, daß an den Schaltkreisen herumoperiert wurde. Wir haben also einen ganzen Tag freie Bahn, bis man dahinterkommt, daß das Anmessen von Identifizierimpulsen nicht die richtige Methode ist, um uns zu fassen.«
    Er reichte Ken ein Kästchen, das so ähnlich aussah wie der Mikropunktor, und einen Streifen Klebfolie.
    »Befestigen Sie es am linken Oberarm, über der Stelle, an der der Schnitt sitzt«, trug er ihm auf. »Nicht jetzt«, hielt er ihn zurück, als Ken sich sofort an die Arbeit machen wollte. »Sehen Sie dort zur Wand.« Ken gehorchte und entdeckte auf einer leuchtenden Mattscheibe eine Art Landkarte. »Die Geographie dieser Welt müßte Ihnen bekannt vorkommen.« Das war der Fall. Ken erkannte die vertrauten Umrisse der Kontinente. Es gab geringfügige Abweichungen von den Konturen der irdischen Landmassen, aber im großen und ganzen war das Bild identisch mit einer Erdkarte. Jernigan drückte auf einen Knopf der Konsole. Ein roter Leuchtpunkt tauchte auf, etwa in der Gegend, in der

Weitere Kostenlose Bücher