Die Diktatorin der Welt
kann Ihnen das nicht alles erklären. Wenn wir noch eine Minute länger hier herumstehen, wird jemand Verdacht schöpfen, und dann ist alles verdorben. Glauben Sie mir ...«
Ken winkte ab.
»Gut, ich glaube Ihnen. Tun Sie, was Sie wollen.«
Jernigan trat auf das Portal zu. Einer der Flügel schwang auf. Ein breiter, nicht sonderlich hell erleuchteter Gang führte in die Tiefe des Gebäudes. Türen, manche offen, manche geschlossen, befanden sich auf beiden Seiten. Jernigan wandte sich scharf nach links. Aus einem Raum, dessen halboffene Tür die Aufschrift WACHE trug, drang gedämpftes Stimmengemurmel.
Jernigan stieß die Tür auf. Der Raum dahinter war klein. Eine niedrige Theke trennte den durch die Tür erreichbaren Teil von dem Rest ab. Hinter der Theke standen zwei Schreibtische mit umfangreichen Kontrollkonsolen. Die Tische waren von zwei graugrün uniformierten Polizisten besetzt, deren Unterhaltung durch Jernigans geräuschvollen Eintritt unterbrochen worden war.
Auf dem Gesicht des einen spiegelte sich Mißbilligung. Er sprang auf und kam auf die Theke zu, unzweifelhaft mit der Absicht, Jernigan für sein lautes Eindringen zurechtzuweisen. Doch Jernigan kam ihm zuvor.
»Ich habe eine wichtige Meldung zu machen«, sagte er ernst.
Der Uniformierte blieb hinter der Theke stehen und musterte die Eindringlinge mißtrauisch.
»So«, machte er bissig. »Und was für eine Meldung wäre das?«
Jernigan trat einen Schritt zur Seite und wies mit theatralischer Geste auf Ken.
»Dieser Mensch«, verkündete er im Ton der höchsten Entrüstung, »hat vor wenigen Minuten gedroht, er werde sich zur Hauptstadt begeben und dort unserer glorreichen Führerin auflauern, um sie zu töten.«
*
Ken kam sich vor, als hätte ihm jemand mit einem schweren Gummihammer auf den Kopf geschlagen. Dumpfe Überraschung lähmte ihn und gaukelte ihm sekundenlang vor, er erlebe eine Szene aus einem Traum.
Der zweite Polizist hatte sich ebenfalls erhoben. Jernigan war zur Tür hingetreten, um Ken den Weg zu verlegen, falls er vorhatte zu fliehen.
»So, so«, hörte er den ersten Polizisten sagen, »wir haben es also mit einem Meuchelmörder zu tun. Wie ist dein Name, Bürger, wenn du überhaupt ein Bürger bist?«
Ken erwachte langsam.
»Ken«, stammelte er. »Ken Lohmer.«
»Und wo kommst du her, Bürger?«
Ken warf einen hilfeheischenden Blick auf Jernigan, aber Jernigan machte ein bitteres, verächtliches Gesicht und sah zur Seite, als sein Blick ihn traf.
»Aus Epcot«, sagte Ken.
Der erste Polizist furchte die Stirn.
»Epcot? Wo ist das?«
Der zweite hatte eine V-Pistole hervorgezogen und hielt sie so, daß der Lauf über die Theke hinweg auf Ken zeigte.
Ken antwortete nicht. Es hatte keinen Zweck. Die Geographie der Erde war anders als die dieser Welt. Er brachte sich nur in zusätzliche Schwierigkeiten, wenn er verfängliche Fragen zu beantworten suchte.
Ein Stück der Theke klappte beiseite.
»Komm 'rein, Bürger!« befahl der erste Polizist. »Wir werden gleich festgestellt haben, wer du bist und woher du kommst.«
Ken trat durch die Öffnung. Der zweite Polizist drehte sich, während er an ihm vorbeischritt, und folgte ihm mit dem Lauf seiner Waffe. Der erste trat zu seinem Schreibtisch und drückte auf eine Serie von Knöpfen auf der Schaltkonsole. Einen Augenblick lang starrte er auf die Skalen einiger Meßgeräte; dann wandte er sich Ken wieder zu. Der Ausdruck in seinem Gesicht hatte sich verändert. Er war bitter und haßerfüllt.
»Wie ich mir dachte«, grollte er. »Kein Bürger. Trägt keinen Pulsgeber. Ein Fremder und ein Feind der Republik. Wo haben Sie ihn her, Bürger?«
Die Frage war an Jernigan gerichtet.
»Er bat mich, ihn mitzunehmen, als ich von Hause aufbrach. Er wartete in der Nähe einer Werkstatt, in der ich meinen Wagen zum Nachsehen hatte, und sprach jeden an, der an ihm vorüberkam. Er schien halbwegs intelligent und versprach gute Unterhaltung auf der langen Fahrt. Also nahm ich ihn mit.«
»Woher kommen Sie, Bürger?« war die nächste Frage.
»Aus dem Norden. Ich ...«
»Woher genau? Piute, Conconar, Arissol, Lehmann ...?«
»Arissol.«
»Da haben Sie einen langen Weg hinter sich. Sie wollen zur Hauptstadt?«
Jernigan bestätigte das.
»Und unterwegs machte Ihr Fahrgast abfällige Bemerkungen über unsere Hauptbürgerin?«
»Richtig. Er ging ziemlich vorsichtig vor. Zuerst machte er ein paar Bemerkungen, die nicht eigentlich abfällig, sondern mehr sarkastisch
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