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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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waren, über die allgemeine Wirtschaftslage. Als ich ihm nicht widersprach, weil ich neugierig geworden war, wagte er sich weiter vor. Und schließlich, gerade als wir in diese Stadt einfuhren, rückte er mit der ganzen Wahrheit heraus. Er sei, bekannte er, zur Hauptstadt unterwegs, um unsere Hauptbürgerin zu ermorden.«
    Die Neugierde des Polizisten war noch nicht gestillt.
    »Wie gelang es Ihnen, Bürger, ihn hier hereinzubringen?«
    »Ich hielt an«, antwortete Jernigan unbefangen und überzeugend, »als er der Hauptbürgerin mit dem Tode gedroht hatte. Ich behauptete, ich kennte jemand, mit dem er sich unbedingt in Verbindung setzen müsse, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Ein Polizeifahrzeug kam mir zu Hilfe. Es fuhr patrouillierend die Straße abwärts und lenkte seine Aufmerksamkeit ein paar Sekunden lang ab. Ich brachte ihn durch den Haupteingang, bevor er die Aufschrift lesen konnte, und hier ...«, Jernigan machte eine überzeugend menschliche, hilflose Geste und grinste dazu, »... hier sind wir also.«
    Der erste Polizist warf Ken einen mißbilligenden, von Verachtung erfüllten Blick zu, bevor er sich wieder an Jernigan wandte.
    »Sie haben mehr als Ihre Pflicht getan, Bürger«, lobte er ihn. »Um Ihnen zu zeigen, welchen Dienst Sie Ihrer Heimatwelt und unserer Hauptbürgerin erwiesen haben, will ich Ihnen zeigen, was es mit dieser Kreatur auf sich hat.«
    Ken war der Szene mit absoluter Verständnislosigkeit gefolgt. Es gab Sekunden, in denen er nicht sicher war, ob sein Verstand noch richtig funktionierte. Woher, in Dreiteufelsnamen, hatte Jernigan die groteske Geschichte, die er den beiden Polizisten auftischte? War es möglich, daß er durch eine Fehlfunktion seines Mikropunktors auf einer anderen Wahrnehmungsebene gelandet war, ohne es zu merken?
    Er ließ es willenlos mit sich geschehen, daß der erste Polizist ihm den linken Jackenärmel in die Höhe streifte. Uninteressiert, noch viel zu sehr damit beschäftigt, das Rätsel um Jernigans Verhalten zu lösen, sah er ihm zu. Er fand keine Zeit mehr zu reagieren, als der Polizist mit einem Ruck die rechte Hand hinter dem Rücken hervorbrachte und ein kleines, glitzerndes Instrument zwischen den Fingern hielt.
    Er schrie auf, als der stechende, brennende Schmerz ihm quer über den Oberarm schnitt. Mit tränenden Augen, seiner Sinne kaum noch mächtig, sah er den Polizisten die Haut unterhalb der Schulter zu einem klaffenden Spalt auseinanderziehen. Kein Tropfen Blut war dabei zu sehen. Das Gerät, das benutzt worden war, schien Skalpell und Hämostat zu gleicher Zeit zu sein. Der Schmerz verflog schnell, aber der Anblick seines eigenen rohen Fleisches machte Ken übel. Das Zimmer schien um ihn zu rotieren. Er hörte den Polizisten sagen:
    »Sehen Sie, Bürger? Kein Pulsgeber. Er hat nie einen getragen. Er kommt nicht von unserer Welt. Er ist ein Feind, ein Feind unserer Welt und der Hauptbürgerin. Und Sie sind derjenige ...«
    Ken verlor das Bewußtsein.
     
    *
     
    Als er wieder zu sich kam, lag er in einem kleinen, hell erleuchteten Raum auf einer Pritsche aus Kunstholz. Die Pritsche stellte das gesamte Mobiliar dar. Der Raum maß zweimal zwei Meter im Quadrat, und an einer Seite zeigten sich die Umrisse einer Tür. Beißender, ekelerregender Gestank erfüllte die Zelle. Ken richtete sich auf und stellte fest, daß er sich übergeben haben mußte, nachdem die Polizisten ihn hier eingesperrt hatten. Er erinnerte sich plötzlich an die groteske Szene, der er beigewohnt hatte, bevor er bewußtlos geworden war, und rollte den linken Jackenärmel nach oben. Dicht unter der Schulter war eine Narbe, die so aussah, als wäre sie ein paar Monate alt und im besten Begriff, so zu verheilen, daß später keine Spur von ihr mehr zu sehen sein würde.
    Erschrocken starrte er auf die Uhr an seinem Handgelenk und erkannte zu seiner Erleichterung, daß seit der Zeit, da er sie zum letztenmal abgelesen hatte, nicht mehr als vier Stunden vergangen waren.
    Er stand auf. Eine hastige Untersuchung der Taschen brachte ihm zur Kenntnis, daß man ihm die V-Pistole abgenommen hatte. Er griff zum Hals und fühlte, daß er den Mikropunktor nach wie vor trug. Der Kragen seines Pullovers hatte ihn verborgen.
    Das beruhigte ihn. Er brauchte nur den roten Knopf ein paarmal zu drücken, um wieder dorthin zu gelangen, woher er gekommen war. Er versuchte, sich Felip Gutierrs Gesicht vorzustellen, wenn sein Körper auf der Liege im Zentrallabor sich plötzlich wieder zu bewegen

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