Die Dilettanten
Finanz- und Wirtschaftspolitik« und dem »Praktikantenstadel der Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums« das Motto »Learning by doing« bescheinigte, treffen jetzt Spott und Kritik. »Gabriels nächste Massenkarambolage«, lästert Thomas Hillenbrand im Februar 2008 in
Spiegel Online
, weil Gabriel Benzin mit Ethanol mixen will, obwohl viele ältere Pkws den Biosprit nicht vertragen.
Tatsächlich scheinen Gabriel und Autos nicht zusammenzupassen: Mal übersieht sein Ministerium monatelang, dass die in Zehntausenden Wagen eingebauten Dieselrußfilter fast alles filtern – außer eben Ruß. Mal bringt er die Rasergemeinde gegen sich auf, indem er Tempo 130 auf den Autobahnen fordert – nachdem er ebendies kurz zuvor noch entschieden zurückgewiesen hat. Schon bald macht das Wort von »Gabriels Luftnummern« die Runde.
Besonders mit der Umwelt steht der Umweltminister auf Kriegsfuß: Im April 2008 setzt er sich für neue Kohlekraftwerke ein und wirft den Umweltschützern wie Greenpeace und BUND vor, mit ihrem Widerstand den Ausstieg aus der Kernenergie zu gefährden.
Dass der »abgewatschte Kronprinz«
(Spiegel)
trotz alledem alsgrößtes politisches Talent seiner Partei gilt, spricht weniger für ihn als gegen die SPD. Gerade die Prinzipienfreiheit macht Gabriel zum Hoffnungsträger: Er kann jedem alles versprechen und wird es gegebenenfalls auch tun. Wie Schröder ein »Mann ohne Eigenschaften«, ist er zwar nicht der Schwarm aller simpel gestrickten und politisch desinteressierten Frauen von Pilcher bis Ballermann, andererseits erinnert er aber auch nicht an das kaltschnäuzige Mitglied einer Militärjunta – im Gegensatz zu so manchem aktuellen Politführer. Er ist
der
Mann der Zukunft in einer zukunftslosen Partei. Mit seiner Polemik »Sagen, was Sache ist« bringt er sich im März 2008 jedenfalls als Vordenker ins Gespräch: »Die SPD muss sich konzentrieren. Und sie muss aufhören, innerparteilich zuerst auf die Differenz zu achten statt auf das Verbindende. Wer um Vertrauen in der Öffentlichkeit wirbt, muss zuerst seinen eigenen Mitstreitern trauen und sich gemeinsam mit ihnen etwas zutrauen.« 194
Das ist natürlich auch Blabla, aber viele seiner Konkurrenten kennen nicht einmal Leute, die ihnen wenigstens so etwas schreiben könnten.
Regierungstauglich ist auch seine Organisationsspannweite: Er gehört den neoliberal-spaßgesellschaftlichen SPD-
Netzwerkern
ebenso an wie dem
Seeheimer Kreis
der Parteirechten. Und links? Kein Problem: Da schreibt er eben den Reißer
Links neu denken
–
Politik für die Mehrheit
und lässt ihn im Herbst 2008 passend zur Weltfinanzkrise von der »Parteilinken« Andrea Nahles vorstellen.
Aber auch für die kleinen Leute hat er Medientaugliches zu bieten. Nach dem Motto »Keine Politik ist so symbolisch, als dass sie nicht noch symbolischer werden könnte« fordert er inmitten der miesen Finanzkrisenstimmung im Oktober 2008 einen Kühlschrank-Zuschuss für Hartz-IV-Empfänger.
Nur mit einem bestimmten Teil der symbolischen Politik – der»Vorbildfunktion« – kommt er noch nicht klar. »Gabriel allein im Regierungsjet nach Mallorca«, titelt
Bild
am 12. März 2008. Der Umweltminister habe am 8. August 2007 seinen Urlaub unterbrochen und sei für 50 000 Euro am selben Tag nach Deutschland und zurückgeflogen. Dabei seien 44 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen worden.
Aber auch auf diesem Gebiet ist Gabriel sicher lernfähig.
Andrea Nahles (SPD), Germanistin, Mitglied des Parteipräsidiums
Mal hü, mal links, aber immer nach oben
Andrea Nahles, geboren am 20. Juni 1970 in Mendig (bei Koblenz), gilt bei den noch verbliebenen SPD-Mitgliedern als Parteilinke.
Seit 1988 ist sie in der SPD, 2004 beendet sie nach 28 Semestern ihr Germanistikstudium und firmiert auf der Internetseite des Deutschen Bundestags als »Literaturwissenschaftlerin«. Immerhin ist sie vorher schon ab 1993 rheinland-pfälzische Landes- und von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzende der Jusos, seit 1997 im Parteivorstand, seit 1998 im Bundestag, seit 2000 Kreisvorsitzende der SPD Mayen-Koblenz und seit 2003 im SPD-Präsidium. Seit 2005 ist sie wieder im Bundestag, seit Oktober 2007 eine von drei Parteivizes und seit 2007 arbeitsmarktpolitische Fraktionssprecherin.
Andrea Nahles wählt bei ihrer Karriereplanung die vermeintliche Marktlücke »Linker Flügel der SPD« und pirscht sich zum Job einer Juso-Vorsitzenden und von 1998 bis 2002 in den Bundestag vor. Hier stimmt sie im Juli 2000
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