Die Dirne und der Bischof
auf die gespitzten Lippen küsste, ihm irgendwelchen Unsinn ins Ohr raunte.
Wie war die Sache mit dem Schwan? War er verzaubert gewesen? Warum hatte er Loherangrin über das Meer getragen? Oder hatte es sich um einen großen See gehandelt?
Der Legat schlug die Decke zurück und wälzte sich zwischen die Daunenkissen.
»Komm, mein Täubchen, leg dich zu mir. Lass mich heute Nacht deine Jugend fühlen. Es ist alles so vergänglich hier im irdischen Leben. Wenn ich deine straffe Haut fühle, macht es mich glücklich und traurig zugleich. Doch will uns der Herr nicht ständig ermahnen, dass wir hier auf Erden nur Gast sind, dass wir unser Ende nicht aus dem Auge verlieren?«
»An dem wir dann alle nach unseren Taten von ihm gerichtet werden«, ergänzte Elisabeth.
Dieser Gedanke schien dem Legaten nicht zu gefallen. Sie küsste ihn rasch auf den Mund, worauf sich die Falten auf seiner Stirn wieder glätteten. Er schlang seinen Arm um sie und zog sie eng an seine Brust. Die warme Daunendecke hüllte sie beide ein, und Elisabeth hatte das Gefühl, sie müsse ersticken. Der letzte Gedanke geisterte ihm anscheinend immer noch durch den Kopf. Er gähnte herzhaft und murmelte dann schlaftrunken:
»Mach dir keine zu großen Sorgen, mein Kind. Noch bist du jung und hast Zeit, umzukehren und deinem sündigen Lebenswandel abzuschwören. Der Herr ist gnädig und wird dir verzeihen. Wenn du möchtest, kann ich dir morgen die Beichte abnehmen.«
Elisabeth klappte der Mund auf. Sie war sprachlos. Doch der Legat erwartete gar keine Antwort. Sein Atem wurde regelmäßiger und ging dann in ein tiefes Schnarchen über. Elisabeth wand sich aus seiner Umarmung und rutschte so weit von ihm ab, dass sich ihre und seine Haut nicht mehr berührten.
Endlich sank sie in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte von Loherangrin, der von den Gralsrittern gesandt wurde, Elsam, der Tochter des Herzogs von Brabant, zu Hilfe zu eilen. Ein Schwan zog sein Schifflein und versorgte ihn mit Fisch, bis sie nach fünf Tagen die Ufer von Brabant erreichten, wo Elsam ihm ihre Bedrängnis schilderte. Friedrich von Telramund drängte sie zur Ehe und behauptete, sie, die einzige Tochter und Erbin des toten Herzogs, habe sich ihm versprochen. Nur in einem Gotteskampf könne ein Held ihre Freiheit erstreiten - so lautete der Richtspruch des Kaisers. Parzivals Sohn war freudig bereit, sein Leben für Elsam zu wagen. Elisabeth hörte wieder die vertraute Stimme.
Er las ihr die Verse vor. Sie hatte sich auf ein Ruhebett gekuschelt, die Knie bis an die Brust gezogen, und lauschte atemlos.
Natürlich gewann der Ritter des Grals den Zweikampf, Friedrich gestand die Lüge und wurde hingerichtet. Der Schwanenritter aber bekam die holde Jungfrau, die ihn längst aus ganzem Herzen liebte. Doch er warnte sie, ehe er mit ihr vor den Altar trat. Nie sollte sie ihn nach seiner Herkunft fragen, sonst müsse er sie verlassen.
»Und, hat sie ihn gefragt?«, hörte Elisabeth ihre eigene Stimme durch ihren Traum klingen.
»Was glaubst denn du? Die Neugier ließ sie nicht ruhen, bis sie ihr eigenes Glück zerstörte! Sie drang ihn, ihr zu verraten, aus welchem Land er gekommen sei. Und das alles nur, weil ein paar andere Weiber in ihrer Eifersucht geklatscht und ihn als ihres Adelsstandes nicht ebenbürtig angesehen hatten! Da verkündete Loherangrin allen, dass er Parzivals Sohn sei und von Gott gesandt. Er rief seinen Schwan und entschwand auf Nimmerwiedersehen. Elsam brach zusammen. Zu spät sah sie ein, dass sie mit ihrer Neugier alles verspielt hatte. Sie war eben ein Weib!«
Elisabeth nahm eines der weichen Kissen und warf es nach ihm. »Was bist du nur für ein Scheusal! Du willst behaupten, die Neugier würde uns Weiber ins Unglück treiben?«
»Aber ja, das kannst du nicht abstreiten. Auch du musst immer fragen und bohren, bis du eine Antwort findest, und redest stets, bevor du darüber nachgedacht hast, was deine Worte für einen Schaden anrichten könnten.«
»Das ist nicht wahr!«, protestierte sie.
»Doch, mein Goldlöckchen«, sagte er mit einem Lachen in der Stimme. Seine Hand strich zärtlich über ihren Kopf. »Doch, und wenn du nicht Acht gibst, dann k ostet dich deine schnelle Zunge oder deine neugierige Nase noch einmal Kopf und Kragen!«
Die Bilder und Stimmen verschwammen. Er hatte recht behalten, dachte Elisabeth, noch ehe sie in einen neuen Traum eintauchte.
Kapitel 16
Der päpstliche Legat schlief ungerührt in den Tag hinein. Elisabeth
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