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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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erwachte bereits beim Morgengrauen. Sie zog sich an und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Was sollte sie tun? War sie nun entlassen? Sie beschloss, sich davonzumachen. Er hatte nur von ihr verlangt, dass sie die Nacht über bei ihm bleiben sollte, und das hatte sie getan. Die beiden fehlenden Schillinge hatte sie sich jedenfalls verdient. Und da war sie bei ihrem zweiten Problem. Wie sollte sie an ihr Geld kommen? Der päpstliche Legat musste für sein Gastgeschenk sicher nicht selbst aufkommen. Ob der Schreiber schon im Haus war? Und wenn ja, wo?
    Elisabeth öffnete die Tür und spähte auf den Gang hinaus. Es war kein Mensch zu sehen oder zu hören. Sie warf einen letzten Blick zum Bett zurück, wo sich der Legat nun mit einem Seufzer auf die andere Seite wälzte, dann schlüpfte sie hinaus und schloss die Tür wieder leise hinter sich. Sie trat auf einen breiten, hellen Flur. Die großen Fenster zeigten zur Straße hinaus. Im Winter waren sie sicher mit Pergament verschlossen und mit dicken Stoffen verhängt, doch nun im Sommer drang das Morgenlicht ungehindert herein und schien auf die prächtigen Wandteppiche auf der anderen Seite. Elisabeth huschte den Gang entlang bis zu der Treppe, die man sie heraufgeführt hatte. Unten angelangt, blieb sie zögernd stehen. Rechts führte der Weg in die große Halle und dann zur Tür. Sie war vermutlich nicht verschlossen, aber Elisabeth wollte sich lieber nicht ausmalen, wie die Meisterin sie empfangen würde, sollte sie ohne die zwei Schillinge zurückkehren. Oder hatte sie abgesprochen, das Geld auf andere Weise zu empfangen? Wie dumm von ihr, die Meisterin vor ihrem Aufbruch nicht gefragt zu haben! Nun, einen Versuch wollte sie jedenfalls wagen. Elisabeth wusste nicht, wohin sie der Gang auf der linken Seite führen würde. Sie öffnete ein paar Türen zu Räumen mit Tischen, Ruhebetten und Sekretären, traf aber auf keinen Menschen. Der Gang machte einen Bogen und mündete in einem großen Speisezimmer. Der Tisch war für ein üppiges Frühmahl gerichtet, zwei Teller waren bereits benutzt. Ein großer Braten lag angeschnitten auf einem Brett, zwei gebratene Hühner in der Schüssel daneben. Es gab auch süße, eingelegte Früchte und Honig, Käse und Würste, eine hübsch mit Blüten garnierte Pastete, weißes Brot und eine Reisspeise mit Mandeln. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, als ihr Blick über die wundervollen Speisen glitt. Wie gerne hätte sich Elisabeth etwas genommen, doch das wagte sie nicht. Das würde ihr noch fehlen. Im Haus dieses Domherrn des Diebstahls bezichtigt zu werden!
    »Du hast dich wohl verlaufen!« Eine wohlklingende Stimme ließ sie herumfahren. Elisabeth sah den Mann an, der auf leisen Sohlen unbemerkt in das Speisezimmer getreten war. Sie kannte ihn nicht. Es war weder der Hausherr noch der Sekretär, der sie hergebracht hatte. Seiner Haltung und der Kleidung nach zu urteilen, gehörte er aber eher zu den Domherren als zu den Schreibern oder Sekretären.
    »Bei allen Heiligen, wo kommst du her, und was tust du hier?«
    Er starrte sie an und wich sogar zwei Schritte zurück, als wäre der Leibhaftige plötzlich vor ihm aufgetaucht. Vielleicht war es für ihn ein Schock, eine Dirne im Haus eines so hohen Kirchenmannes vorzufinden. Gehörte er gar zu den wenigen Kirchenmännern, die ihr Gelübde von Keuschheit ernst nahmen? Doch konnte er wirklich so naiv sein zu glauben, die anderen würden die Gebote streng befolgen? Solch einen leichtgläubigen Eindruck machte er gar nicht. Ihr Herz begann zu rasen.
    »Verlaufen?«, nahm sie seine erste Frage auf und knickste tief. »Ja, Herr, so kann man es wohl nennen. Ich bin eigentlich auf dem Weg, das Haus zu verlassen, wollte aber noch - nun ja, eine Kleinigkeit zuvor regeln.«
    Nun teilte ein Lächeln seine Lippen und erhellte sein Gesicht. Er war bestimmt mehr als ein Dutzend Jahre jünger als der Hausherr, im besten Mannesalter, könnte man sagen, das Gesicht harmonisch geschnitten, das Haar dunkel und dicht, die Augen von tiefem Blau.
    »Das hört sich recht geheimnisvoll an. Ich liebe Geheimnisse! Willst du mir deines nicht verraten?«
    Sie trat ein wenig verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Ja, eigentlich habe ich nach dem Sekretär des Herrn gesucht, dem dieses prächtige Haus gehört, da er mir noch zwei Schillinge geben sollte. Ihr habt ihn nicht zufällig gesehen?«, fügte sie hoffnungsvoll hinzu.
    Ein Hauch von Erkenntnis huschte über das einnehmende Gesicht des Mannes. Er

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