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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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missdeutete.
    Hans von Grumbach holte tief Luft und sagte dann so ruhig wie möglich: »Meint Ihr denn, dass eine von Else Eberlins Dirnen - mit der sonst Handwerker und Söldner zugange sind - die rechte Gesellschaft für einen päpstlichen Legaten ist?«
    Der Propst sah ihn erschrocken an. »Meint Ihr nicht? Der Schreiber fand an dem Mädchen nichts auszusetzen.«
    Domherr von Grumbach verdrehte die Augen und schickte ein stummes Gebet um Geduld gen Himmel.
    »Ich habe ihm auch extra aufgetragen, darauf zu achten, dass sie ein vernünftiges Wort herausbekommt und sich entsprechend höflich verhält.«
    »Na, dann können wir ja hoffen, dass Euer Einfall nicht die gegenteilige Wirkung haben wird. Habt Ihr das Mädchen gesehen?«
    »Nur flüchtig. Aber sie erschien mir recht hübsch und sittsam.«
    Domherr von Grumbach lachte kurz auf. »Sittsam! Das ist ein schönes Wort. Ihr habt mich neugierig gemacht. Vielleicht werde ich später einmal einen Blick auf Eure sittsame Dirne werfen!«
    »Tut das, doch sagt mir, wie habt Ihr Euch in der Sache unseres Bischofs entschieden?«, wechselte Anthoni von Rotenhan das Thema.
    »Auf welcher Seite steht Euer Bruder Niclas?«, gab Hans von Grumbach zurück, um die Antwort vielleicht noch ein wenig hinauszuzögern.
    »Wenn der Herr im Himmel nicht noch ein Wunder geschehen lässt, nicht auf der unseren. Ich verstehe ihn einfach nicht. Wie kann er nur so verblendet sein?«
    Domherr von Grumbach dachte, dass so manche Verblendung eher eine Blendung war, die ein Lichtschein auf einem Berg Münzen erzeugte, doch er hütete sich, das zu sagen. Zum Glück kehrte in diesem Moment der Legat von seinem Besuch des heimlichen Gemachs zurück und setzte sich wieder an den Tisch, um den nächsten Gang des edlen und üppigen Mahls und natürlich auch den teuren Wein zu genießen. Für private Gespräche zwischen den Domherren bot sich keine Gelegenheit mehr.
    Elisabeth ging in dem prächtig eingerichteten Gemach unruhig auf und ab. Wie spät mochte es inzwischen wohl sein? Die elfte Stunde war längst schon ausgerufen worden, doch noch immer hatten sich die Herren nicht von ihrem Mahl erhoben. Zumindest hatte sich der Gast, für den sie bestimmt war, noch nicht blicken lassen. Je länger sie auf ihn warten musste, desto nervöser wurde sie. Längst hatte sie sich das schwere Himmelbett angesehen, auf dem prall gefüllte Kissen und eine mit Federn gefüllte Decke lagen, alles mit rotgoldenem Brokat bezogen. Ein massiver Sekretär stand unter einem der beiden Fenster, unter dem anderen eine gepolsterte Bank. Eine geöffnete Truhe, kaum kleiner als Elses, stand neben der Tür. Sie enthielt anscheinend das Reisegepäck des Gastes. Ein samtenes Wams lag obenauf, und an der Seite lugten weiße Seidenbeinlinge hervor, doch Elisabeth wagte nicht, etwas zu berühren, um noch mehr von ihrem Inhalt betrachten zu können. Sie schritt noch einmal durch den Raum und sah durch die grünen, runden Scheiben hinaus in den Hof, der rundherum von einer hohen Mauer eingefasst und von einem schweren Tor verschlossen wurde. Drüben, in dem anderen Teil des Hauses, brannten Kerzen hinter einem Fenster. Vielleicht saßen dort die Männer zum Mahl. Wie lange würde sie noch warten müssen?
    Mit einem Seufzer trat Elisabeth an das Wandbord neben dem Bett und betrachtete die Bücher, die dort neben einem Silberbecher und einer zierlichen Karaffe standen. Fünf dicke Bände waren es. Sie zog einen davon heraus, trug ihn zum Sekretär und schlug die gelblichen Seiten vorsichtig auseinander. Anscheinend hatte ein Mann namens Konrad von Würzburg das Werk geschrieben. Elisabeth überflog ein paar der mit gleichmäßigen steilen Buchstaben bedeckten Seiten. Es ging um einen Mann namens Loherangrin, Sohn von Parzival und Cundwiamurs. Während ihre Augen über die Zeilen huschten, schloss sich ihre Hand um das Medaillon, das auf ihrer Brust ruhte. Es war ein schönes Gefühl, so vertraut. Ihre Fingerspitzen strichen über das glatte Metall, ertasteten den Rubin in seiner Fassung und die Perlen. Wie selbstverständlich schob sich ihr Fingernagel in eine Vertiefung über der obersten Perle. Elisabeth spürte einen leichten Widerstand, dann sprang das Medaillon auf.
    Ihr Herz klopfte plötzlich stürmisch. Parzifal und Loherangrin lösten sich in Nebelschwaden auf. Mit zitternden Fingern hielt sie die an einem kaum sichtbaren Scharnier verbundenen Hälften in der Hand. Bilder huschten durch ihren Sinn.
    Ein kleines Mädchen kniete

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