Die Dirne und der Bischof
in einem prächtigen Gemach auf einem flachen Schemel. Blonde Locken fielen ihr über die Schultern bis auf die noch flache Brust herab. Ein Mann stand vor ihr, in einem langen, prächtig bestickten Gewand, das ihm bis über die Füße reichte. Er war nicht mehr jung. Sie konnte seine faltigen Hände sehen. Er hielt eine Kette in den Händen mit einem wundervollen Medaillon an ihrem Ende.
»Das ist für dich«, sagte er und legte das Geschmeide um ihren Hals. War das die Stimme ihres Vaters? »Es soll dich immer daran erinnern, wer du bist und dass ich dich liebe!« Er beugte sich vor und berührte mit seinen Lippen ihr Gesicht.
Die Tür ging auf. Elisabeth fuhr erschreckt zusammen. Sie hatte die Schritte nicht kommen hören. Hastig schob sie den Stuhl zurück und sprang auf. Mit einem leisen Klicken verschmolzen die Hälften wieder miteinander. Ehe sie einen Blick hatte hineinwerfen können. Elisabeth ließ das Medaillon los, dass es zurück zwischen den Ansatz ihrer Brüste fiel. Sie griff nach dem Buch, aber es war längst zu spät, es zu seinem Platz zurückzubringen. Ängstlich richtete sie ihren Blick auf die beiden fremden Männer, die das Gemach betraten. Der Schreiber, der sie abgeholt hatte, war nicht dabei.
Der Linke der beiden musste der Hausherr sein. Er war groß und hager und hatte nur noch einen dünnen Kranz wei ßer Haare um seinen von Altersflecken übersäten Schädel. Sein besticktes Gewand aus Samt und Damast umschlackerte den dünnen Körper bis zu den Füßen. Auch der andere hatte die sechzig sicherschon überschritten, doch ihm sah man an, dass er nichts von Askese hielt. Seine Wangen waren feist und rot, die Nase von geplatzten Äderchen durchzogen. An seinen kurzen, dicken Fingern prangten klobige Edelsteine in Goldfassung. Sein Gewand war vermutlich noch wertvoller und verbarg ebenfalls die Beine bis zu den Knöcheln. Dies und das Käppchen auf seinem Hinterkopf zeigten ihr, dass auch der Gast dem geistlichen Stand angehörte. Nicht, dass dies Elisabeth gewundert hätte. Sie hatte schon zu viele Pfarrer und Vikare im Frauenhaus ein- und ausgehen gesehen, um noch daran zu glauben, dass das Keuschheitsgelübde ernsthaft eingehalten werden wollte. Und so, wie alle über den Bischof sprachen, ging dieser ja mit schlechtem Beispiel voran!
Der Hausherr hob den Arm und ließ den Gast vor ihm eintreten. »Hier ist Euer Gemach. Ich hoffe, es sagt Euch zu und Ihr werdet friedlich ruhen. Ich hoffe, wir haben alles, was Ihr Euch wünscht, für Eure Bequemlichkeit bereitgestellt. Euer Leibdiener ist nebenan. Ihr braucht nur zu rufen oder dort an dem Klingelzug zu ziehen, wenn Ihr ihn benötigt. Ansonsten wünsche ich eine gesegnete Nacht und erwarte Euch morgen mit einem kleinen Imbiss, bevor wir gemeinsam in den Dom zur Messe gehen.«
Der Gast nickte erfreut, wobei sich sein Doppelkinn in noch mehr Falten legte. »Ja, das gefällt mir. Wen haben wir denn da?« Er zwinkerte der jungen Frau zu, die noch immer mit dem Buch in der Hand stumm dastand. Nun knickste sie und senkte die Lider, dennoch war ihr der verwirrte Blick des Hausherrn nicht entgangen, der sie vermutlich zum ersten Mal, seit sie hier war, richtig angesehen hatte. Er zwinkerte, und sein Mund öffnete sich in Erstaunen, dann aber schüttelte er den Kopf, als sei die Erscheinung, die er gehabt hatte, wieder verflogen. Er lächelte arglos.
»Wie heißt du denn, mein Kind?«, fragte er.
»Elisabeth«, sagte sie und knickste noch einmal.
»Ah, ein schöner Name. Die heilige Elisabeth von Thüringen. Obwohl sie mit dem Landgrafen vermählt wurde, war sie von tiefster Frömmigkeit, und ihre aufopfernde Nächstenliebe kannte keine Grenze. Nach dem frühen Tod ihres Gatten trat sie in den Dritten Orden ein und lebte in Keuschheit für die Armen und Kranken.«
Er brach ab. Offensichtlich bemerkte er erst jetzt, wie zunehmend unwohl sich der Legat bei seinen Worten fühlte.
»Ja... äh... dann wünsche ich jetzt eine gute Nacht!«, fügte der Hausherr noch hinzu und verließ fluchtartig das Gemach. Die Tür schlug hinter ihm zu. Elisabeth musterte noch immer den dicken Legaten des Papstes, der nun langsam näher trat.
»Ja, eine gute Nacht wünsche ich uns auch. Du kannst doch bis zum Morgen bleiben, nicht wahr?«
Elisabeth nickte. Schließlich hatte die Meisterin gesagt, sie solle den Gast des Domherrn zufriedenstellen.
Er legte seine speckigen Finger um ihre Unterarme. »Ein wenig dünn bist du ja schon, aber ansonsten recht
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