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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ist Weihnachten, und seine Familie hat das Recht, ihm Kleider und Essen zu schicken. Also lass uns durch. Ist er noch im Verlies der hohen Warte?«
    »Ja«, gab der Wächter zögernd zu, »aber es ist nicht an mir zu entscheiden, ob er das alles bekommen darf. Ihr müsst den Hauptmann von Saunsheim fragen.«
    »Und wo finden wir den?«
    »Ich führe euch hin.« Der Wächter winkte einen Kamera den heran, der gerade durch das Tor hereinkam, und bat ihn, seinen Posten für ein paar Augenblicke zu übernehmen. Die beiden Frauen folgten ihm zwischen einem Gewirr niederer Holzgebäude hindurch am Fuß des großen Turmes vorbei, der aus der Mitte des Hofes aufragte. Begrenzt wurde der rechteckige Hof von einer Reihe Steinbauten, von denen der Ostflügel der prächtigste war. Er war der Palas der Burg. Hier wohnte der Bischof, und hier befand sich auch der große Festsaal. Direkt hinter den Steinbauten verlief der Wehrgang um die Burg, die dann noch von einem Zwinger und der Zwingermauer mit ihren niederen Türmen umschlossen wurde.
    Der Wächter passierte mit den beiden Frauen im Schlepptau die Basilika mit ihrem Kuppeldach und wandte sich dann nach links. Laute, fröhliche Stimmen schlugen ihnen entgegen, Wärme und der Geruch nach heißem Gewürzwein. Sie stiegen ein paar Stufen hinab in einen großen, überwölbten Saal mit langen Tischen und Bänken, an denen mehrere Dutzend Männer und ein paar wenige Frauen saßen. In der großen Hofstube wurden die beiden warmen Mahlzeiten an Wächter und Dienstboten ausgegeben. Hier trafen sich diejenigen, die gerade keinen Dienst hatten und nicht schliefen. Der Wächter trat auf einen Mann zu, der etwas abseits an einem kleineren Tisch saß, grüßte knapp und erklärte in wenigen Worten, was es mit den beiden Frauen auf sich hatte.
    Der Hauptmann erhob sich und ging einmal um sie herum. »Wer seid ihr? Gehört ihr zur Familie des Tuchscherers?« Er starrte sie an, legte die Stirn in Falten und schüttelte ungläubig den Kopf.
    Er war nicht der Hauptmann, den sie bei ihrem letzten Besuch auf der Burg angetroffen hatten. Für diesen Posten wirkte er ungewöhnlich jung. Gret und Elisabeth verneinten.
    »So seht ihr auch nicht aus. Aber ihr kommt mir bekannt vor. Vor allem du!« Er deutete auf Elisabeth. »Hier stimmt doch irgendetwas nicht!« Mit einem schnellen Griff schob er den Umhang auf, sodass nun die gelben Säume zu sehen waren.
    »Zwei Dirnen!«, rief er aus. »Mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Was wollt ihr wirklich hier?«
    »Seine Tochter schickt uns«, sagte Elisabeth schnell. »Otilia Maintaler. Sie will, dass ihr Vater diesen Korb bekommt und wenigstens zu Weihnachten ein wenig Freude erleben darf.« Elisabeth holte den Weinkrug heraus und reichte ihn dem Hauptmann. »Und der ist für Euch. Mit den besten Empfehlungen der Familie und guten Wünschen für das Weihnachtsfest.«
    »Die Familie schickt zwei Dirnen? Das kann ich nicht glauben!«
    Elisabeth sah ihn ernst an. »Ja, denn als die Tochter des Hauses es selbst versuchte, wurde sie von Euren Wachen rüde behandelt und in ihrem Schamgefühl verletzt!«
    »Was versteht denn eine wie du davon?«, gab der Hauptmann zurück, schien sich aber nicht recht wohl zu fühlen.
    »Ich muss nichts davon verstehen«, sagte Elisabeth und musterte ihn kühl. »Es reicht, wenn die Tochter des Ratsherrn sich unschicklich behandelt und beleidigt fühlt und lieber uns damit beauftragt, sich mit Euren Wächtern herumzuschlagen, als sich solch einer Lage noch einmal auszusetzen!«
    »Wie sprichst du denn mit mir?«, empörte sich der Hauptmann, forderte die Frauen aber auf, ihm zu folgen. Sie traten an den Fuß des mächtigen, runden Turms heran. Ein hagerer Mann mit einer Ledermappe unter dem Arm eilte auf sie zu.
    »Der Bischof wünscht Euch zu sprechen, Hauptmann von Saunsheim«, richtete er aus. Dann musterte er die beiden Frauen. »Was wollen die denn hier?«
    Bereitwillig gab der Hauptmann Auskunft, vergaß allerdings die zweifelhafte Herkunft der Frauen zu erwähnen. Der Sekretär - zumindest sah er wie einer aus - zog eine saure Miene.
    »Das sollte der Bischof wissen und erst sein Einverständnis dazu geben!«
    »Warum?«, begehrte der Hauptmann nun auf und reckte das Kinn. Er wirkte plötzlich stärker und bedrohlicher als der schmächtige Schreiber. »Ich bin auf der Festung der Hauptmann, und auch die Gefangenen unterstehen meiner Gewalt.«
    Der Sekretär plusterte sich auf, wirkte neben dem kampferprobten Mann aber

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