Die Dirne und der Bischof
Es war so kalt, dass das junge Mädchen seine Bedenken überwand und ins Haus trat. Neugierig sah sich Otilia um und stellte ihren sichtlich schweren Korb auf dem Tisch ab. Die Frauen scharten sich neugierig um sie, um keinen Aspekt dieses ungewöhnlichen Auftrags zu verpassen.
»Ich habe hier unten zwei Decken und ein frisches Hemd«, sagte Otilia und begann den Korb auszupacken. »Ein paar warme Strümpfe und einen gefütterten Wams. Und dann hier das Brot, Honiggebäck und fetten Käse, Schinken und rote Wurst und natürlich den Krug Wein. Da sind getrocknete Pflaumen und Nüsse drin. Den zweiten Krug kannst du den Wächtern überlassen, wenn sie ihren Anteil fordern. Aber bitte nicht den mit dem teuren Wein. -Und der zweite Schinken ist für euch. Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünsche ich allen.«
Sie legte den enormen geräucherten Schinken auf den Tisch. Die Frauen waren sprachlos. So etwas war ihnen noch nicht passiert. Elisabeth vergaß alle Konventionen und umarmte Otilia. Das Mädchen strahlte und schien nichts dabei zu finden. Selbst Else Eberlin rang sich ein Lächeln ab und dankte. Was sie jedoch nicht abhielt, auch dieses Mal zwei Schillinge zu verlangen. Jeanne bat die Meisterin, mit auf die Festung gehen zu dürfen, aber Else blieb hart und bestimmte wieder Gret zu Elisabeths Begleiterin.
»Ich bin aber viel hübscher als Gret«, maulte Jeanne und streckte der Rothaarigen die Zunge heraus.
»Das mag schon stimmen«, gab ihr die Wirtin recht. »In diesem Fall kommt es aber eher darauf an, was in deinem Kopf ist. Was, wie ich zugebe, in unserem Haus nicht sehr häufig vorkommt. Sie müssen ihre Worte mit Bedacht wählen und rasch entscheiden, welche Taktik von Vorteil ist. Jeanne, du bist nicht gerade bekannt dafür, dass du erst nachdenkst, bevor du redest oder handelst.«
Nun grinste Gret und gab die Geste zurück.
»Außerdem ist Lisa schön genug für beide«, fügte die Meisterin hinzu und beendete damit das Streitgespräch.
Am nächsten Morgen machten sich Elisabeth und Gret auf den Weg zur Festung. Der Weihnachtsmorgen war klar und kalt. Weiß stieg ihr Atem dem blauen Himmel entgegen. Die beiden Frauen hatten sich in dicke Umhänge gehüllt und trugen den Korb zwischen sich, sodass jede wenigstens eine Hand unter dem Umhang wärmen konnte. Das erste Tor passierten sie ohne Schwierigkeiten. Die Männer grüßten sie ausgelassen und wünschten ihnen einen schönen Weihnachtstag. Ihre gute Stimmung ließ vermuten, dass ihr Herr beim Verteilen des traditionellen heißen Gewürzweines nicht kleinlich gewesen war.
Der Vorhof war noch voller, als sie es bei ihrem letzten Besuch erlebt hatten. Edel gekleidete Gäste kamen und gingen, ließen sich die Steigbügel halten und ihre Rösser versorgen und in den Ställen unterbringen. Mägde und Knechte eilten mit Eimern und Schüsseln auf und ab. Elisabeth lugte in die Kisten und Wannen, die über die Brücke in die Burg gebracht wurden.
»Wir müssen uns beeilen«, keuchte eine junge Magd mit roten Wangen. »Der Küchenmeister wird uns umbringen, wenn wir die Zutaten nicht rechtzeitig bringen. Der Tag verrinnt, und die Gäste des Bischofs treffen bereits ein.«
Elisabeth und Gret setzten selbstbewusste Mienen auf und drängten sich hinter den Mägden über die Brücke. Zuerst fielen sie nicht auf, doch der Wächter am innersten Tor war wohl noch nüchterner und aufmerksamer als seine Kameraden. Er trat den beiden Frauen in den Weg und sah sie streng an.
»Euch beide kenne ich ja gar nicht. Seid ihr neu hier?«
Gret zögerte nicht und nickte. »Aber ja, sonst müssten wir dich ja bereits kennen, oder? Du scheinst mir kein Mann, den man gleich wieder vergisst, wenn man ihn einmal getroffen hat.«
Er lächelte geschmeichelt, ließ sich aber nicht beirren. »Was ist in eurem Korb?« Er zog das Tuch beiseite.
»Na, gute Dinge zu essen«, sagte Gret und verdrehte die Augen. »Was erwartest du? Heute ist Weihnachten, und der Bischof hat viele edle Gäste!«
Elisabeth konnte nur staunen, wie geschickt Gret ihm antwortete. Bisher hatte sie nicht gelogen.
Der Wächter hob den Käse an und zog die warmen Strümpfe hervor. »Ach, und die sind auch für die Gäste des Bischofs? Sie scheinen ein wenig groß, um für eure Füße bestimmt zu sein.«
Elisabeth beschloss, dass es nun Zeit sei, ihm reinen Wein einzuschenken.
»Nein, die sind für die sicher kalten Füße des Ratsherrn, der hier seit vielen Wochen unrechtmäßig im Turm festgehalten wird. Es
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