Die Dirne und der Bischof
Mut zu machen?«
Elisabeth lachte. »Nein, keine Engel, das wisst Ihr doch. Eure Familie schickt Euch die Geschenke, doch es schien ihnen - ja, zu gefährlich, sie selbst zur Festung zu bringen.«
Der Ratsherr schluchzte auf, während er sich rasch das frische Hemd, den Wams und die Strümpfe überzog.
»Wir müssen gehen«, drängte Gret und zog den leeren Korb wieder hoch. »Es wäre nicht gut, wenn sie uns hier finden. Womöglich nehmen sie ihm die Sachen dann wieder weg.«
Elisabeth nickte widerstrebend. »Ich wünsche Euch alles Gute und Gottes Segen zum heiligen Fest. Wir werden dafür beten, dass der Bischof ein Einsehen hat und Euch bald wieder freilässt.«
»Ja, tut das«, stimmte ihr der Ratsherr zu. »Und sagt meinen Kindern, sie sollen den Mut nicht verlieren. Ich liebe sie, und ich werde zu ihnen zurückkehren!«
Die Frauen sandten noch ein paar Abschiedsworte in den finsteren Kerker hinunter, dann eilten sie die Wendeltreppe hinab. Unter der Eingangstür stieß Elisabeth unvermittelt mit dem Hauptmann zusammen.
»Oh, Verzeihung!«
»Was tut ihr denn hier drinnen?«
Er trat zurück, und die beiden Frauen folgten ihm ins Freie. Sie bemühten sich, keine Anzeichen von Schuldbewusstsein zu zeigen. Gret verbarg den leeren Korb hinter ihrem Rock. Der Hauptmann war nicht alleine gekommen. Von dem verkniffenen Schreiber war zwar keine Spur zu sehen, dafür hatte er vier Bewaffnete mitgebracht.
Was sollte das bedeuten? Wollte er sie verhaften und zu dem Ratsherrn ins Verlies hinabwerfen? Sie hatten nichts Unrechtes getan! - Oder zumindest nichts, von dem er wissen konnte und das solch einen Übergriff rechtfertigen würde!
»Unser Bischof Johann von Brunn hat in seiner unendlichen Gnade beschlossen, den Ratsherrn Maintaler aus seiner Haft zu entlassen.«
»Was?«, riefen die Frauen gleichzeitig und starrten den Hauptmann ungläubig an. Wollte er grausame Scherze mit ihnen treiben?
Doch er nickte mit ernster Miene und streckte ihnen eine versiegelte Urkunde entgegen. »Es ist Weihnachten! Das Fest der Liebe, der Gnade und der Vergebung. Wie unser Heiland, so will auch unser Bischof das Fest nutzen, um der Stadt zu zeigen, dass er ihr barmherziger Herr ist und dass sie sich zu Unrecht von ihm abgewandt hat.«
»Ich glaub, mir wird schlecht«, sagte Gret kaum hörbar.
Elisabeth trat ihr auf den Fuß. Sie hatte zwar auch ihre Meinung über den Gerechtigkeitssinn und den Großmut ihres Bischofs, aber dies war nicht der rechte Moment, dieses für ihn nicht sehr vorteilhafte Urteil im Hof der bischöflichen Festung kundzutun.
»Wann wird er freigelassen?«, erkundigte sich Elisabeth.
»Jetzt gleich. Ich bin mit meinen Männern gerade auf dem Weg in den Turm, um ihn heraufziehen zu lassen. Wenn ihr wollt, könnt ihr hier warten.«
Elisabeth nickte. »Ja, wir werden ihn in die Stadt zurückbegleiten.«
Sie mussten nicht lange warten, dann führten die Wachtleute den Ratsherrn aus dem Turm. Blinzelnd blieb Hans Maintaler stehen. Nun, im hellen Sonnenlicht des klaren Wintertages, sah er noch erbärmlicher aus, als Elisabeth es im Verlies hatte erahnen können. Obwohl er nun ein frisches Hemd und ein neues Wams trug, war ihm die Tortur der Kerkerhaft deutlich anzusehen. Seine Wangen waren eingefallen und schmutzig, Haar und Bart vermutlich seit August nicht mehr gestutzt oder gewaschen. Seine Kleider schlotterten um seinen nun abgemagerten Leib. Die Haut hatte eine ungesunde, gelbliche Färbung angenommen, die man an den wenigen Stellen, die nicht mit Schmutz bedeckt waren, erahnen konnte. Mit unsicheren Schritten kam Hans Maintaler auf die beiden Frauen zu, die Entlassungsurkunde mit beiden Händen an die Brust gepresst.
»Ich weiß nicht, wie ihr das geschafft habt, doch dafür wird Gott im Himmel euch belohnen«, sagte er mit einem Schluchzen in der Stimme.
Elisabeth fing ihn auf, als er stolperte. Wie leicht er geworden war!
»Wir haben nichts weiter getan. Der Bischof hat euch begnadigt.«
»Geht nun«, sagte der Hauptmann barsch. Er warf einen Blick auf den Gefangenen in seinem sauberen Hemd und dann auf den abgedeckten Korb, der seltsam leicht wirkte, sagte aber nichts dazu.
Das ließen sich die Frauen nicht zweimal sagen. Sie hakten sich zu beiden Seiten bei Hans Maintaler unter und führten ihn nach Würzburg zurück. Erst als sie vor seinem Haus ankamen, traten sie zurück.
»Gottes Gnade geht manches Mal seltsame Wege, die wir nicht immer verstehen«, sagte er. Seine Augen waren feucht.
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