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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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etwas damit zu tun. Ich muss doch mal wieder meinen Zorn auffrischen. Der wärmt mich für Stunden, wenn ich nur einen einzigen Blick auf die Neuenburg geworfen habe, wie der Herr Bischof sie nun nennen lässt. Sie wächst und gedeiht, und wir sehen nur zu und legen die Hände in den Schoß.«
    »Ah, das ist dein Geheimnis«, spottete Elisabeth. »Du lässt dich von deiner Wut wärmen statt von Mantel und Schal.«
    »Was sie aber nicht vor einem Schnupfen bewahrt hat!«, mischte sich Jeanne ein, die schon wieder näher an die Glut heranrückte.
    »Das ist wahr«, gab Elisabeth zu. Gret sagte gar nichts. Sie musste sich schon wieder schnäuzen. Lachend gingen die Frauen hinaus, als Gret dann auch noch einen Niesanfall bekam.
    So schritt der Herbst voran. Die letzte Ernte wurde eingebracht, und in allen Gassen gab es neuen Wein zu kaufen. Die Weinausrufer liefen eifrig auf und ab, um die Kunden zu ihrem Wirt zu locken, und übertönten einander, so gut sie konnten.
    »Nach altem Brauch vierundsechzig Maße im Eimer«, fügten sie zu den Preisen und dem Versprechen hinzu, dass man keinen besseren Wein als ihren im Umkreis finden könne.
    »Dass sie das immer dazusagen«, wunderte sich Elisabeth.
    »Ja, so langsam wissen wir, dass der Bischof tatsächlich einmal einen Fehler zugegeben hat«, stimmte ihr Gret zu.
    »Was? Wieso? Das verstehe ich nicht.«
    »Ich weiß es auch nur, weil die Meisterin es mir erzählt hat. Es muss schon weit mehr als ein Dutzend Jahre her sein. Du warst zu der Zeit sicher noch ein kleines Mädchen. Bischof Johann war erst wenige Jahre im Amt, da beschloss er, eine neue Steuer zu erheben. Quellen neuer Einnahmen sind ihm ja stets eine helle Freude. Ich glaube, er erhob einen Groschen auf jeden Eimer Wein, der ausgeschenkt wurde. Der Wein, der zu Hause getrunken wurde, bekam eine andere Steuer. So genau habe ich mir das nicht gemerkt. Jedenfalls, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, verkleinerte er die Größe der Eimer, sodass ein Eimer nun vier Maß weniger hatte und dadurch die Steuer auf Wein noch höher wurde. Du kannst dir vorstellen, dass er sich damit nicht nur bei den Wirten keine Freunde gemacht hat. Fünf Jahre galten diese neuen, kleineren Maße, dann wurden auf Beschluss des Domkapitels die alten Eimer zu vierundsechzig Maß wieder eingeführt. Ja, und seitdem dürfen die Ausrufer nicht vergessen, dies auch zu erwähnen.« Sie lächelte Elisabeth verschmitzt an. »Du siehst, schon damals haben die Parteien nach besten Kräften gegeneinander gearbeitet.«
    »Und das Domkapitel war auf unserer Seite«, fügte Elisabeth hinzu.
    Gret wiegte den Kopf hin und her. »Darauf würde ich nichts geben. Ich denke, das sind die Kapitelherrn nur, solange sie sich einen Vorteil davon versprechen. Die Bürger und anderen Bewohner liegen ihnen nicht wirklich am Herzen.«
    »Du denkst nicht wirklich gut von unserem Domkapitel.«
    Gret schüttelte heftig den Kopf. »Nicht vom Domkapitel und auch nicht von den anderen reichen Stiftsherrn. Sie rühren keinen Finger für die einfachen Leute, wenn sie nicht mit klingender Münze gelockt werden. Was verlangen sie für jede Beichte, für jede Taufe und jedes Begräbnis? Wer nicht zahlt, dessen Seele hat eben Pech gehabt. Nur unter den Bettelmönchen habe ich anderes kennengelernt. Bei ihnen finden sich Männer, die man noch Nachfolger Christi nennen kann, ohne unseren Heiland damit zu beleidigen.«
    Auf einen nassen und stürmischen Herbst folgte der Winter mit den ersten Schneestürmen im November. Nun wurden auch Elisabeth und Gret gezwungen, ihre täglichen Ausflüge zu verkürzen. Zu schnell weichten ihre Schuhe und Strümpfe durch, und die Zehen verwandelten sich in Eisklumpen, die nur unter Schmerzen am Feuer wieder auftauten. Noch immer wurde an der Neuenburg fleißig gemauert.
    »Bis zum Sommer ist sie fertig, wenn sie so den Winter über weiterarbeiten«, prophezeite Gret, die den Baufortschritt noch immer genau beobachtete. Im Gegensatz zu Gret hatten sich viele Bewohner der Stadt offensichtlich mit dem Fremdkörper an ihrem Rand abgefunden. Eine gelassene, ja fast heitere Stimmung herrschte vor den Weihnachtsfeiertagen. Die Auseinandersetzungen der Politik fanden hinter verschlossenen Türen statt und wurden nur unter den Ratsfamilien besprochen. Die kleinen Leute kümmerten sich lieber darum, was über den Winter auf den Tisch kommen würde und ob genug Geld für Brennholz und Kleider da war. Alle Familien freuten sich auf das große Fest zum

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