Die Dirne und der Bischof
Gemach zurückließ - drohte ihr aber noch einmal, dass es furchtbare Folgen für sie haben werde, sollte sie sich nun weigern, ihrer Pflicht nachzukommen, oder den Gast etwa respektlos behandeln.
In den frühen Morgenstunden machte sich Elisabeth auf den Heimweg. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und in der Stadt waren erst wenige Menschen unterwegs. Elisabeth genoss die frische Morgenluft, die klar und sauber war. Sie selbst kam sich immer beschmutzt vor und wusch sich beinahe jeden Tag, was von den anderen Frauen belächelt oder mit einem verständnislosen Kopfschütteln bedacht wurde. Elisabeth hatte ihr neues Leben immer noch nicht vollständig angenommen. Zumindest nicht so wie die anderen sechs Frauen der Eselswirtin.
Als Elisabeth im Frauenhaus ankam, schliefen die anderen noch. Die vertraute Mischung von Geräuschen schlug ihr entgegen, aber auch der stets modrige Geruch des alten Hauses, vermischt mit dem von Wein, Schweiß, verschiedenen Duftwassern und anderer Körpersäfte, der am Morgen noch klebrig in der Luft hing. Erst im Lauf des Tages, wenn sie die Tür lange genug weit offen stehen ließen, verwehten die Gerüche ein wenig.
Elisabeth zog sich aus und legte sich neben Jeanne auf ihr gemeinsames Lager. Das goldene Medaillon mit der Hand fest umschlossen, schlief sie ein.
Der Tag verlief ruhig. Die Meisterin ließ sich von Elisabeth als Erstes die Münzen in die Hand zählen und das Medaillon zurückgeben. Zusammen mit den geliehenen Kleidern trug Else alles zu ihrer Truhe. So ruhig der Tag verlief, so anstrengend wurde der Abend. Es kamen viel mehr Gäste als gewöhnlich, sodass die Wirtin Mühe hatte, alle zufriedenzustellen. Die Frauen kamen nicht einmal dazu, die Männer, die am Tisch saßen, sich unterhielten oder Karten spielten, mit Wein, Brot und Käse zu versorgen. So eilte die Meisterin hin und her, trug Krüge und Becher heran, scherzte mit den Gästen und behielt dabei stets ihre Frauen im Auge. Elisabeth verbrachte fast den ganzen Abend mit Junker von Thann, der sich sichtlich freute, sie wiederzusehen. Er hatte eine seltsame Bindung zu ihr aufgebaut und verlangte stets nach ihr, obwohl ihre erste Begegnung alles andere als angenehm für ihn ausgefallen war. Was Elisabeth über ihn dachte, konnte die Meisterin nicht sagen. Ob sie sich freute, ihn zu sehen oder ihn verabscheute? Beides war möglich. Die Gefühle der anderen Frauen waren ein offenes Buch für die Wirtin, in dem sie besser lesen konnte als in den geschriebenen Werken. Elisabeth jedoch war ihr in dem ganzen Jahr, das sie nun schon im Frauenhaus lebte, ein Rätsel geblieben. Sie war meist gehorsam und tat, was die Meisterin verlangte, war höflich zu den Gästen und scherzte mit ihnen, wenn es angebracht war. Doch Else kam es so vor, als erreiche ihr Lachen nicht ihre Augen. Diese blickten stets ernst und ein wenig bekümmert drein. Nur wenn sie mit Jeanne zusammen war oder mit Gret, dann war sie manches Mal für Momente heiter und gelöst.
Else Eberlin beobachtete Elisabeth noch eine Weile, wie sie auf dem Schoß des jungen Ritters saß und ihn mit Speckwürfeln fütterte, dann musste sie bei den anderen wieder nach dem Rechten sehen.
Als der Henker bereits seine zweite Runde am Frauenhaus vorbei gemacht und die letzten Gäste mit Nachdruck zum Heimgehen aufgefordert hatte, fühlte sich Else fast erleichtert. Ohne vorher die Tische abzuräumen, schickte sie die Frauen sofort zu Bett. Gähnend wünschten sie einander eine gesegnete Nacht und fielen auf ihre Matratzen. Jeanne und Mara nahmen sich nicht einmal mehr die Zeit, aus den Miedern zu schlüpfen und ihre Röcke auszuziehen. Sie lockerten gerade mal die Bänder der Schnürung, zogen sich die Decken bis über die Ohren und schliefen ein.
Else ließ den Blick noch einmal schweifen, dann verschloss sie die Tür und schlurfte zu ihrem Häuschen. Ihre Augen brannten, und ihre Lider waren schwer vorMüdigkeit, als sie sich auf ihr Lager fallen ließ. Dennoch erhob sie sich nach einer Weile noch einmal, zündete die Öllampe an und öffnete ihre Truhe. Es war ihr schon zu einer lieben Gewohnheit geworden, das goldene Medaillon vor dem Schlafengehen noch einmal herauszuholen und mit den Fingern über die kühle Metalloberfläche, den Rubin und die Perlen zu streichen. Der Gedanke, es irgendwann zu verkaufen, fiel ihr immer schwerer. Zu sehr hatte sie das Schmuckstück inzwischen lieb gewonnen. Nie vorher in ihrem Leben hatte Else so etwas Prächtiges besessen! Sie
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