Die Dirne und der Bischof
ist denn los?«, erkundigte sich Meister Thürner.
In abgehackten Satzfetzen berichteten sie, was sich auf dem Judenfriedhof abspielte. Der Henker verstand sofort.
»Dann kommt. Wir wollen keine Zeit verlieren.« Er rief noch die beiden Scharwächter an, die gerade ihren Rundgang in Richtung Gerbergasse fortsetzen wollten, und rannte los. Die beiden Bewaffneten folgten ihm. Gret und Elisabeth liefen den Männern hinterher, doch so außer Atem, wie sie bereits waren, konnten sie nicht mit ihnen Schritt halten und fielen immer weiter zurück.
»Komm, schneller«, keuchte Gret, die sich bereits eine Hand in die schmerzende Seite presste.
»Meister Thürner wird sie schon finden«, gab Elisabeth zurück. »Er braucht uns nicht.«
»Aber ich will sehen, wie er diese Schweine fertig macht!«, rief Gret aus und lief wieder ein wenig schneller.
Elisabeth sagte nichts. Sie benötigte ihren Atem, um nicht noch weiter zurückzufallen. Auch sie wollte dabei sein und sehen, ob die Hilfe noch zur rechten Zeit kam. Schon donnerte die Stimme des Henkers über den Friedhof. »Lass eure Waffen fallen! Ich schwöre euch, sonst werdet ihr alle unter meinem Henkersschwert gevierteilt! Waffen fallen lassen - auch du! Wirf das Messer auf den Boden!«
Keuchend erreichten die beiden Frauen den von einer Lampe erhellten Platz mit dem umgestürzten Grabstein, auf dem Jeanne noch immer gefesselt war. Elisabeth schlug sich die Hand vor den Mund. Inzwischen waren ihre Kleider eher nur noch Stoffstreifen zu nennen, und sie blutete aus mehreren Wunden am Körper und einem Schnitt von der Schläfe bis zum Hals. Else lag ein Stück weiter zusammengekrümmt im Gras und rührte sich nicht.
»Wirf das Messer weg!«, schrie der Henker. Während die beiden Scharwächter zwei der Männer fesselten, ging Meister Thürner mit blankem Schwert auf den Bärtigen los, der noch immer den Dolch erhoben hatte. Es war ein kurzer Kampf, doch der Dünne versuchte die Gelegenheit zu nutzen, um sich davonzumachen. Er lief direkt auf die beiden Frauen zu.
»Das könnte ihm so passen!«, fauchte Gret und warf sich ihm in den Weg, sodass er ins Straucheln kam und der Länge nach in den Dreck fiel. Auch Gret stürzte zu Boden und überschlug sich einmal. Er rappelte sich schneller auf als seine Angreiferin, die sich in ihren Röcken verfing. Der Dünne zog sein Messer. Elisabeth stieß einen Schrei aus und trat ihm so hart gegen den Arm, dass ihm die Klinge aus der Hand geschleudert wurde. Gret und der Dünne hechteten beide nach dem Messer, doch Gret war näher dran und bekam es als Erste zu fassen. Sie hatte die Klinge schon auf ihn gerichtet, als er zugriff und die Schneide zu fassen bekam. Er stieß einen Schrei aus und ließ los. Es hatte ihm fast die Finger abgetrennt. Fassungslos starrte er auf seine Hand, aus der das Blut in Strömen hervorschoss.
»Das ist noch viel zu wenig für diesen Schweinehund«, keuchte Gret und hob die blutige Klinge zum Stoß.
»Lass es sein! Er wird seine gerechte Strafe erhalten.« Meister Thürners hohe Gestalt tauchte hinter dem wimmernden Mann auf. Ohne darauf zu achten, zog er ihn auf die Füße und fesselte ihm grob die Arme auf den Rücken. Nun war auch der letzte Mann überwältigt. Hier wurden die beiden Frauen nicht mehr gebraucht. Gret und Elisabeth stürzten zu dem Grabstein. Jeannes dunkle Augen richteten sich auf sie. Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. Gret schnitt die Fesseln durch, während Elisabeth ihr den Knebel aus dem Mund nahm.
»Oh, meine arme Freundin«, sagte sie und half ihr vorsichtig, sich aufzusetzen. »Was haben sie dir angetan!«
Jeanne sah an sich herunter. Dann fuhr ihre Hand zu ihrem Gesicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf ihre blutigen Finger.
»Jungfrau Maria, steh mir bei«, weinte sie. »Ich werde so aussehen wie Ester, oh Gott, ich will nicht solche Narben im Gesicht!« Elisabeth schloss sie in ihre Arme.
»Das wirst du nicht, Liebes«, sagte Gret ungewohnt sanft. »Es ist nur ein Schnitt im Gesicht. Sieh mich an! Ja, das ist gut. Wenn du dein Haar offen trägst und es ein wenig nach vorne fällt, wird niemand etwas bemerken.«
Meister Thürner trat zu ihnen. »Lasst mich sehen, wie tief die Schnitte sind.« Die beiden Frauen traten ein wenig zur Seite, hielten aber noch immer Jeannes Hände, während der Henker ihre Verletzungen untersuchte.
»Die beiden müssen wir sofort verbinden, sonst verliert sie zu viel Blut.« Er riss ein paar Streifen von Jeannes
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