Die Dirne und der Bischof
Erklärung davongemacht.
»Was willst du jetzt tun?«, erkundigte sich Ester mit ihrer sanften Stimme.
»Wollen? Keiner wird sie fragen, was sie will. Wir müssen überlegen, was sie jetzt tun kann«, sagte Gret. »Viele Möglichkeiten hat sie sicher nicht. Hast du schon eine Idee?« Sie sah Elisabeth fragend an.
»Die Meisterin sagt, ich soll möglichst viele Tagesreisen zwischen mich und Würzburg bringen.«
»Was?« Die Frauen waren schockiert.
»Sie hat dir aber nicht vorgeschlagen, dass du dich alleine auf die Landstraße begibst?«, fragte Jeanne vorsichtig. »Davon würde ich dir entschieden abraten. Ich wünsche niemandem - nicht einmal unserer charmanten Marthe -, das zu erleben, was ich mitgemacht habe.«
»Bleib doch einfach bei uns«, schlug Anna vor, die bisher geschwiegen hatte. »Ich glaube nicht, dass du es woanders viel besser triffst, und hier bist du wenigstens mit uns zusammen.«
Elisabeth stieß ein bitteres Lachen aus. »Oh, die Meisterin hat nicht gesagt, dass ich fortgehen kann. Sie hat gesagt, dass ich fortgehen muss! Eine Nacht lässt sie mich hier noch schlafen, dann muss ich mein Bündel schnüren und verschwinden. Sie will, dass ich Würzburg für immer verlasse!«
Die Frauen schwiegen verblüfft. Endlich sagte Gret: »Was hat das zu bedeuten? Was ist zwischen dir und der Meisterin vorgefallen?«
Elisabeth hob die Schultern. »Nichts, das mir so ein Verhalten erklären würde.«
»Sie muss etwas Schreckliches angestellt haben«, beharrte Marthe. »Vielleicht hat sie die Meisterin wieder bestohlen oder gar den geheimnisvollen Domherrn, zu dem sie gestern Nacht gerufen wurde!«
»So ein Unsinn«, rief Jeanne. »Lisa würde so etwas nicht tun!«
»Und wenn, dann würde die Meisterin sie vermutlich dem Henker oder dem Schultheiß übergeben und sie nicht einfach aus der Stadt schicken«, sagte Gret.
Fragend sahen die Frauen Elisabeth an, doch sie konnte ihnen keine Erklärung geben. Es war für sie genauso rätselhaft.
So waren die Frauen der Eselswirtin an diesem Tag recht bedrückt. Als der Abend nahte, band Elisabeth die wenigen Wäschestücke zu einem Bündel zusammen. Sie trug das einfache Kleid, das sie an Sonntagen anhatte, oder wenn sie für die Meisterin auf den Markt gegangen war. Die farbigen Gewänder, die den Männern Gefallen bereiten sollten, ließ sie auf dem Bett liegen. Elisabeth band sich ihr Haar zu einem Knoten und verbarg es unter einer Leinenhaube.
»Du willst jetzt gleich aufbrechen?«, fragte Jeanne entsetzt.
Elisabeth nickte. »Ja, morgen fällt es mir auch nicht leichter, von dir Abschied zu nehmen. Warum soll ich dann heute Nacht noch einmal für die Meisterin den Männern gefällig sein?«
Jeanne fiel ihr in die Arme. »Ach Lisa, ich werde dich vermissen! Die Tage und Nächte werden grau und leer sein.« Tränen rannen über ihre Wangen. Elisabeth wischte sie ihr zärtlich mit einem Tuch ab. Mit dem Zeigefinger fuhr sie den fast verheilten Schnitt entlang.
»Pass auf dich auf, und sage Nein, wenn dich dein Gefühl warnt. Es ist besser, die Meisterin zu verärgern und ein paar Schläge einzustecken, als sich noch einmal in Todesgefahr zu begeben. Vertraue auf deine Instinkte! Du hast viel Erfahrung mit den Männern gesammelt, du kannst sie einschätzen.«
Jeanne nickte unter Tränen. Dann verabschiedete sich Elisabeth von den anderen. Auch Ester weinte und drückte sie immer wieder an sich. Gret klopfte ihr auf den Rücken.
»Du schaffst das! Du bist eine starke Frau, die niemals hierher gehört hat. Ich spüre es, der Herr im Himmel hat noch viel mit dir vor!«
»Danke Gret. Gib du auf die anderen Acht. Sie sind manches Mal wie Kinder und haben nicht deinen scharfen Verstand und deinen Mut.«
Sie lächelten einander zu. Dann verließ Elisabeth das Frauenhaus und ging bis zum Kirchplatz von St. Gertraud, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Kapitel 21
Seit zwei Stunden wanderte Elisabeth ziellos durch die Stadt, doch sie hatte noch immer keine Vorstellung davon, was sie jetzt anfangen sollte, ja nicht einmal davon, wo sie in der kommenden Nacht würde schlafen können! Am Tag schien die Frühlingssonne zwar schon recht warm, doch die Nächte waren noch immer empfindlich kalt. Außer ihrem Umhang, einem zweiten Hemd und Strümpfen zum Wechseln hatte sie nichts bei sich. Nicht einmal eine Decke, in die sie sich wickeln hätte können. Sie zog die Münzen hervor, die die Meisterin ihr gegeben hatte, und zählte die wenigen Pfennige. Weit
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