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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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gerade mit beiden Armen voller Köstlichkeiten in die Halle zurück, als die Haustür sich öffnete und Hans Maintaler eintrat. Sein Blick wanderte von seiner Tochter zu Elisabeth und wieder zurück.
    »Oh, einen gesegneten Abend, Papa«, grüßte Otilia atemlos. Elisabeth blieb stumm.
    »Wollt ihr mir nicht verraten, was das zu bedeuten hat?«, fragte der Ratsherr. Elisabeth konnte keinen Zorn in seiner Stimme hören, und so trat sie auf ihn zu und erzählte, warum sie gekommen war.
    »Otilia, lass uns alleine«, befahl ihr Vater. Das Mädchen machte ein enttäuschtes Gesicht.
    »Ihr werdet ihr doch helfen, nicht wahr, Papa? Sie hat Euch aus dem Kerker befreit. Und ihr Leben riskiert, um Euch Eure Geschenke zu Weihnachten zu bringen!«, erinnerte sie ihn.
    »Geh!«
    »Darf ich ihr Essen dalassen?«, wagte Otilia einen letzten Versuch. »Ja. Leg die Sachen auf den Tisch dort drüben, und dann geh! Strapaziere meine Geduld nicht länger!« Otilia gehorchte, nicht aber ohne Elisabeth demonstrativ zu umarmen, ehe sie die Treppe hinaufstieg und in der Stube verschwand. Ihr Vater seufzte. »Du hast einen schlechten Einfluss auf sie, auch wenn es nicht deine Schuld ist«, sagte er. »Das tut mir leid, und ich wäre auch nicht gekommen, wenn mir nur eine Möglichkeit eingefallen wäre, wohin ich gehen könnte. Ich weiß, dass ich hier nicht bleiben
    kann«, fügte sie hinzu, ehe der Ratsherr es sagen konnte. »Ich bin auch nicht auf der Suche nach Almosen. Ich möchte mir meinen Lebensunterhalt verdienen - mit ehrlicher Arbeit.«
    Der Ratsherr stöhnte. Mitleid stand in seinen Augen. »Wie stellst du dir das vor? Aus solch einem Leben gibt es kein Zurück.«
    »Ich habe es nicht freiwillig gewählt!«, rief Elisabeth. »Es hat mich keiner gefragt!«
    »Ach, Mädchen, wer hat diesen Weg schon freiwillig gewählt? Ich gehöre nicht zu den Verblendeten, die Dirnen für von Geburt an verdorbene Weiber halten, deren Wollust sie sich in die Arme der Männer werfen lässt. Ich weiß, du bist ein guter Mensch, dennoch kann ich dir nicht helfen. Du willst eine ehrliche Arbeit? Dafür brauchst du Empfehlungen, die dir bescheinigen, dass du ein anständiges, sittsames Leben geführt hast. Solch eine Lüge kann ich nicht zu Papier bringen. Ich würde meine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, meine Position als Ratsherr und das Ansehen meiner Familie in der Stadt. Meine Kinder müssten für diesen Fehler später bezahlen.«
    Elisabeth senkte den Kopf und blinzelte. Sie wollte nicht vor ihm weinen.
    »Jetzt bist du von mir enttäuscht und hältst mich für undankbar.«
    »Nein«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Enttäuscht ja, aber nicht von Euch. Vermutlich würde ich an Eurer Stelle auch so handeln.« Sie wandte sich zur Tür.
    »Vergiss dein Abendessen nicht!« Hans Maintaler deutete auf den kleinen Berg, den Otilia auf dem Tisch aufgetürmt hatte. Er sah sich um, griff sich einen Korb und legte Obst, Brot, Käse und Schinken hinein.
    »Gibt es noch einen Wunsch, den ich erfüllen kann?«
    Elisabeth nahm den Korb entgegen. »Vielleicht eine alte Decke?«
    »Aber ja, das ist kein Problem.« Er schien erleichtert, dass ihr Wunsch so klein ausfiel. Hans Maintaler rief nach Margret und schickte sie, eine Decke zu holen.
    Während sie brummelnd die Treppe hinaufstieg, nahm der Ratsherr eine lederne Börse vom Gürtel und holte eine ganze Anzahl Schillinge heraus.
    »Nimm! Sie gehören dir. Ich weiß wohl, was du für mich getan hast, und will nicht undankbar sein.«
    Ihr Stolz verbot es ihr, die Münzen anzunehmen, ihre Not jedoch ließ sie zugreifen. »Danke.«
    »Ich danke dir und wünsche dir, dass du einen Weg findest.« Der Ratsherr begleitete sie durch die Halle und öffnete ihr die Tür. »Ich bin dir gut gesinnt, bitte glaube mir, dennoch möchte ich, dass du nicht mehr mit Otilia sprichst. Kann ich mich darauf verlassen? Sie ist noch so jung und unbesonnen, und ich möchte nicht, dass auch nur der kleinste Schatten auf ihre Tugend fällt. Kannst du das verstehen?«
    Elisabeth seufzte. »Ja, Her Ratsherr, ich kann Eure Gefühle als Vater verstehen. Ich wünsche Euch und Eurer Familie alles Gute und Gottes Segen.«
    Elisabeth trat auf die inzwischen finstere Gasse hinaus und ging in Richtung Dom davon.
    Die Domuhr schlug elf. Elisabeth saß auf den verlassenen Stufen vor dem Portal, auf denen sich bei Tag die Devotionalienhändler drängten, um Besuchern und Pilgern Bildchen von Heiligen, Kerzen oder andere Heilsbringer zu

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