Die Dirne und der Bischof
würde sie damit nicht kommen.
»Du dumme Gans«, schimpfte sie sich selber. Wie hatte sie nur so unvorbereitet davonlaufen können? Was wäre dabei gewesen, noch einmal einem Mann zu Diensten zu sein und dafür mit den Frauen zu essen und eine Nacht in der Wärme zu verbringen?
»Dann würdest du morgen eben an diesem Punkt angelangt sein«, sagte sie sich. Doch zumindest würde dann im Augenblick nicht ihr Bauch vor Hunger rumoren. Sollte sie sich ein Brot kaufen und jetzt schon ihr weniges Geld angreifen? Elisabeth starrte auf die Münzen in ihrer Hand hinab. Nein, wer konnte schon sagen, wozu sie sie irgendwann noch dringender brauchen würde? Sie steckte sie in ihr Bündel zurück. Vielleicht war es an der Zeit, eine Gefälligkeit einzufordern!
Elisabeth folgte den Gassen, bis sie vor der schweren Eichentür stand. Natürlich war sie verschlossen. Es wurde ja bereits dunkel. Elisabeth klopfte und hörte gleich darauf Schritte. Es war weder der Klang von schweren Männerstiefeln noch der schnelle, leichte Tritt eines jungen Mädchens. Elisabeths Mut sank. Noch ehe der Riegel zurückgezogen worden war und die sich öffnende Tür einen Blick auf die Gestalt zuließ, wusste Elisabeth bereits, in wessen Gesicht sie blicken würde.
»Einen guten Abend wünsche ich, Margarete.« Die Miene war noch verkniffener, als Elisabeth sie sich vorgestellt hatte.
»Margret«, korrigierte sie. »Obwohl ich nicht wüsste, was mein Name dich angeht. Was willst du? Du hast hier nichts zu suchen!«
»Ist Ratsherr Maintaler im Haus?« Sie fragte nicht, ob er für sie zu sprechen sei, denn das hätte die Magd ganz sicher verneint.
»Nein, er ist nicht da«, sagte sie barsch und versuchte die Tür wieder zu schließen, doch Elisabeth lehnte sich rasch mit der Schulter dagegen.
»Bitte, ich muss mit ihm sprechen. Wo ist er jetzt? Wann wird er hier erwartet?«
»Ich wüsste nicht, was das eine wie dich angeht«, gab die Magd zurück.
Sie sind die Schlimmsten, dachte Elisabeth. Die einfachen Frauen, die sich mit harter Hände Arbeit ihren kargen Lohn verdienen und die der kleinste Hauch des Schicksals aus ihrer Bahn werfen kann. Es trennt uns nur so wenig! Vielleicht reagieren sie gerade dieses Wissens wegen so ablehnend und voller Hass auf die, die bereits gefallen sind.
Margret startete einen neuen Versuch, die Tür zu schließen, als hinter ihr Otilias Stimme erklang.
»Wer ist es denn Margret? Sag, wer hat geklopft?«
Elisabeth hörte ihre weichen Lederschuhe auf dem Steinboden der Halle. Widerstrebend öffnete die Magd die Tür noch ein Stück weiter.
»Oh, Lisa, du bist es. Welch eine Freude. Geht es dir gut? Was machst du hier um diese Zeit?«
»Nichts Rechtes jedenfalls«, brummte die Magd.
Otilia warf ihr einen strafenden Blick zu. »Du kannst jetzt gehen und nach den Kindern sehen«, sagte sie bestimmt. Der Machtkampf dauerte nur ein paar Augenblicke, dann gab die Magd nach. Sie sandte Elisabeth noch einen vernichtenden Blick, dann ging sie betont langsam davon. Otilia zog Elisabeth ins Haus und schloss die Tür.
»Was gibt es? Du bist doch nicht etwa in Schwierigkeiten?«
Elisabeth lächelte ein wenig schief. »Vielleicht könnte man es so sagen. Daher wollte ich Euren Vater etwas fragen. Ich habe das Frauenhaus verlassen - mit Erlaubnis der Meisterin.«
Otilia klatschte in die Hände. »Das ist gut! Es war kein Ort für dich. Was wirst du jetzt tun? Wo gehst du hin?«
»Das ist ja gerade mein Problem. Ich weiß es nicht. Ich habe nicht einmal für heute Nacht einen Platz zum Schlafen.«
Das Lächeln verschwand aus Otilias Gesicht. »Das ist nicht gut. Hier jedenfalls kannst du nicht bleiben. Um Margret würde ich mir keine Gedanken machen, aber der Vater würde es auch nicht erlauben - denke ich.«
Elisabeth nickte. »Das ist mir klar.«
»Ich könnte dich ja verstecken, für eine Weile jedenfalls, und dir Essen bringen und so, aber für immer geht das nicht.«
»Das würde ich auch nicht von Euch verlangen wollen.«
Otilia unterbrach sie. »Hast du heute Abend überhaupt schon etwas gegessen?«
»Nein, aber...«
»Du willst doch nicht etwa behaupten, du hättest keinen Hunger?«
Elisabeth schwieg. Das zu sagen wäre leichtsinnig gewesen.
»Gut, ich hole dir etwas. Willst du in die Stube hinaufkommen?«, fügte sie zögernd hinzu.
Elisabeth lehnte ab und entschied, in der Halle zu warten, was Otilia mit sichtlicher Erleichterung annahm. Das Mädchen raffte die Röcke und lief in die Küche. Es kam
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