Die Dirne und der Bischof
war bei ihnen. Wenn sie ihn rufen würde, käme er an ihre Seite geeilt und würde sie retten. Elisabeth schrie aus Leibeskräften, während der Morast gierig nach ihr griff und sie immer tiefer hinabzog, doch kein Laut kam aus ihrem Mund. Die Stimmen der Männer entfernten sich und verklangen. Die Finsternis schlug über ihr zusammen.
Der Henker war am Morgen schon früh auf den Beinen und brachte ihr eine Schale mit warmem Mus. »Warte hier«, gebot er ihr. »Ich bin bald zurück.«
Elisabeth war sich nicht sicher, ob es ihrem Anliegen nicht schaden würde, die Meisterin bereits so früh am Morgen aus dem Schlaf zu reißen, doch sie wollte dem Henker keine Ratschläge erteilen. Also saß sie im Heu, streichelte die Katzen, die sich wohlig räkelten, und wartete.
Sie sah es Meister Thürner bereits an, als er durch die Tür trat, dass seine Mission nicht den Erfolg gehabt, den er sich erhofft hatte. Er wirkte gar völlig verwirrt.
»Sie wird mich nicht zurücknehmen«, nahm ihm Elisabeth die Worte aus dem Mund. Sie versuchte zu ergründen, was sie bei seinem Kopfnicken empfand.
Enttäuschung war es nicht, aber auch keine Erleichterung. »Ich verstehe nicht, was vorgefallen ist, jedenfalls scheint sie fast panisch zu sein«, sagte der Henker. »Sie will unbedingt, dass du die Stadt verlässt, es war jedoch nicht aus ihr herauszubringen, weshalb.«
Eine dunkle Ahnung schwebte am Rand ihres Bewusstseins, doch ehe Elisabeth danach greifen konnte, vertrieb die Stimme des Henkers sie wieder.
»Ich habe gute Verbindungen nach Nürnberg. Ich werde herumfragen, ob du dich nicht einer Gruppe von Reisenden anschließen könntest, und ich könnte dir vielleicht ein Schreiben mitgeben.« Er sah sie an. Elisabeth nickte zögernd. Was würde das für sie bedeuten? Eine neue Stadt mit dem gleichen Leben wie unter Else Eberlins harter Hand. Aber hatte sie denn eine Wahl?
Draußen erklang die Stimme einer Frau. Der Henker zuckte ein wenig zusammen. Sie rief nach ihm. Ja, sie befahl ihm, sofort zu erscheinen.
»Ich komme gleich wieder«, versicherte Meister Thürner und eilte hinaus. Elisabeth folgte ihm bis in den Schatten der Tür. Sie konnte genug von der Unterhaltung hören, um zu verstehen, dass es um sie ging. Die Hausherrin hatte offensichtlich mitbe kommen, wer in ihrer Scheune zu Gast war, und überschüttete den Henker nun mit Vorwürfen. Der Mann, der sonst Herr über Leben und Tod war und vor dem selbst Else Eberlin Respekt hatte, konnte sich ihrer Flut von Beschimpfungen nicht erwehren. Ja, sie ließ ihn kaum zu Wort kommen. Elisabeth unterdrückte einen Seufzer. Der Ausgang dieses Gefechts war offensichtlich. Hier würde sie nicht bleiben können. Sie bückte sich, strich den beiden Katzen noch einmal über den Rücken, hob ihr Bündel auf und machte sich ungesehen davon.
Wieder stand Elisabeth vor einer geschlossenen Tür, deren eiserner Beschlag verriet, dass der Besitzer dieses Hauses zu den angesehenen und reichen Persönlichkeiten der Stadt gehörte. Genau genommen war es nicht nur ein einzelnes Haus. Es war eines jener Anwesen, das mit seinen verschiedenen Gebäuden und der umlaufenden Mauer einer kleinen Burg glich. Nur der Wehrgang und die Wachtürme fehlten. Die Stadt beherbergte viele solcher Anwesen, von denen die meisten seit alters im Besitz des Domkapitels waren. Dieser hier war der prächtigste der kirchlichen Höfe in der Stadt, obwohl er nicht dem Dompropst gehörte. Elisabeth wusste, dass die Domherren daneben auch noch Weinberge und Felder besaßen und eine Anzahl an Mägden, Knechten und Handwerkern, die nicht nur die Ernte einbrachten, sondern auch Wein, Brot und allerlei Dinge für den täglichen Gebrauch herstellten, die sie dann ohne Steuern und andere Abgaben viel billiger verkaufen konnten als die Wirte, Bäcker und Handwerker der Stadt. Dass dies den Unmut der Bürger erregte, konnte nicht wundern. Immer wieder hatte Elisabeth die zornigen Reden der Gäste im Frauenhaus mit angehört, wenn zu fortgeschrittener Stunde diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit wieder einmal zur Sprache kam.
Warum durften die Kirchenmänner und ihre Eigenleute in der Stadt leben, ihre Annehmlichkeiten und den Schutz ihrer Mauern und Türme genießen, mussten sich aber nicht an den Kosten beteiligen, keinen Wachdienst leisten und keinerlei Steuern bezahlen? Wie sehr drückte dagegen die Steuerlast auf den Schultern der Bürger! Und bald jedes Jahr dachte sich der Bischof neue Abgaben aus.
Doch dieser
Weitere Kostenlose Bücher