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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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erreichen, wo der Spalt am Boden golden schimmerte, doch je mehr sie sich abmühte, desto weiter schien die Tür ihr zu entgleiten. Etwas hielt ihre Füße fest, ihre Beine wurden immer schwerer. Sie reckte die Arme nach vorn. Sie wusste, alles kam darauf an, dass sie diese Tür erreichte. Schweiß drang ihr aus allen Poren. Ihr Atem wurde immer lauter. Nein! Sie musste leise sein. Ihr Herzschlag schwoll zu einem Trommelwirbel an.
     

Kapitel 4
    Meisterin, ich möchte mich von dir verabschieden.« Elisabeth sprach die Wirtin am nächsten Tag nach dem morgendlichen Mus an.
    »Verabschieden?« Else hob die Brauen. »Was soll denn der Unsinn? Wohin willst du gehen?«
    Elisabeth hob die Schultern und machte eine klägliche Miene. »Das weiß ich noch nicht, aber hier kann ich nicht bleiben.« Sie sah, wie die anderen Frauen in ihren Arbeiten innehielten und zu ihr herüberstarrten.
    »Du kannst nicht bleiben?«, wiederholte Else. »Ich denke eher, du kannst nicht gehen!«
    »Warum?«
    »Das werde ich dir zeigen. Bleib hier sitzen, und rühr dich nicht vom Fleck!«
    Die Meisterin ging hinaus und folgte dem Trampelpfad zu ihrem Häuschen. Elisabeth sah ihr erstaunt nach, wagte aber nicht, gegen Elses Befehl zu verstoßen. Sie musste nicht lange warten, bis die Meisterin zurückkehrte, einen Stapel Pergamentblätter in den Armen. Sie ließ die beschriebenen Seiten auf den Tisch fallen. Einige waren an den Rändern eingerissen, andere fleckig, aber auf allen standen Kolonnen von Zahlen, und über jedem Blatt stand ein Name.
    »Weißt du, was das ist?«
    Elisabeth schüttelte den Kopf und beugte sich etwas vor, um in dem schlechten Licht etwas erkennen zu können. Else drückte ihren Zeigefinger mit dem schmutzumrandeten Fingernagel auf das oberste Blatt, das den Namen »Gret« trug.
    »Das sind Schuldblätter, auf denen ich alles eintrage, was jede von euch von mir bekommen hat und was ihr mir zurückbezahlen müsst, bevor ihr ohne meine Zustimmung irgendwohin geht.«
    Elisabeth las: ein Paar Schuhe - vierzig Pfennige, ein neues Hemd aus gelbem Stoff - zweiundzwanzig Pfennige, Beinlinge, warm für den Winter -zwölf Pfennige. So ging die Liste scheinbar endlos weiter. Es waren auch Mahlzeiten für jede Woche, das Bett und manches Mal ein Stück Fleisch oder Honig erwähnt und einmal der Besuch des Baders. Daneben waren Pfennige aufgelistet, die Gret anscheinend verdient hatte und die von den Schulden abgezogen wurden. Elisabeths Finger glitt die Spalten herab. Die anderen Frauen kamen heran und bildeten neugierig einen Kreis um den Tisch.
    »Ein Hemd zweiundzwanzig Pfennige? Und ein Paar Schuhe vierzig?« Verwundert hob Elisabeth die Brauen. »Diese Schuhe?«, fragte sie und deutete auf die einfachen Schlupfschuhe, die Gret trug.
    Die Meisterin nickte und versuchte der jungen Frau das Blatt aus der Hand zu reißen, doch Elisabeth rutschte auf der Bank ein Stück weiter von ihr weg und war nun außerhalb ihrer Reichweite.
    »Das ist aber teuer. Die Schuhe sind nicht mehr wert als zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Pfennige, und ein Hemd, wenn es nicht gerade aus Seide ist, darf nicht mehr als fünfzehn Pfennige kosten!«
    »Ach, du scheinst ja sehr gut Bescheid zu wissen, dafür, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst!«, fauchte die Wirtin.
    Seltsamerweise war sich Elisabeth sicher, dass ihre Feststellungen richtig waren, auch wenn sie nicht sagen konnte, woher sie das wusste.
    Mara neben ihr nickte zustimmend, und Jeanne sagte leise: »Das habe ich immer gesagt, doch was hilft es?«
    »Und hier hast du dich verrechnet: Sechsundzwanzig Pfennige abzüglich zwölf ergeben eine Restschuld von vierzehn, nicht von achtzehn Pfennigen!« Sie tippte auf das Blatt. »Und hier: wenn du drei Schillinge in Pfennige umrechnest, dann ergeben sich achtzehn Pfennige Schuld und nicht zweiundzwanzig!«
    »Sie kann lesen«, hauchte Anna.
    »Und sogar rechnen«, stieß Jeanne beeindruckt hervor.
    »Ich hab immer gewusst, dass da etwas nicht stimmt«, schimpfte Marthe.
    Else bekam das Blatt zu fassen und riss es Elisabeth aus der Hand. »Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast!«, keifte sie. »Und wage es nicht, Unruhe unter meinen Mädchen zu stiften. Ich führe die Schuldblätter, und was ich eintrage, das stimmt!«
    Sie durchwühlte den Stapel und zog ein Blatt hervor, das weniger verfleckt und zerknittert wirkte als die anderen.
    »Hier, viel wichtiger für dich ist, was auf diesem Pergament steht, denn das sind

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