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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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glichen, im Bastheimer oder Gänsheimer Viertel der inneren Stadt, wo auch viele Domherrenhöfe standen. Elisabeth wunderte sich über ihre Gedanken und fragte sich gerade, woher sie das alles wusste, als der Blick der Meisterin auf sie fiel. Die Augenbrauen zusammengeschoben, kam sie zu ihr herüber.
    »Wie siehst du denn aus? Nein, so geht das nicht! Da könnte ja jemand auf den Gedanken kommen, ich hätte einer entlaufenen Betschwester Unterkunft gewährt.«
    »Wieso? Das sind die Kleider, die ich gestern bekommen habe«, wunderte sich Elisabeth. Sie sah an sich herunter und konnte nichts Anstößiges erkennen. Nun ja, die Kleider waren ein wenig verwaschen und an manchen Stellen fadenscheinig geworden, aber sonst?
    Else brummte. »Gestern war Sonntag! Dafür sind sie in Ordnung, aber nicht für heute und nicht für die anderen Nächte, in denen wir unsere Arbeit tun müssen.«
    Sie sah zum Tisch hinüber, wo die Männer unter großem Gejohle die Würfel rollen ließen. Die Frauen klatschten begeistert in die Hände, wenn ein Wurf gelang, und trösteten die Verlierer mit einem Kuss. Hier wurde die Wirtin offensichtlich gerade nicht gebraucht.
    »Komm mit mir, ich will sehen, ob ich dich nicht ein wenig herrichten kann«, forderte die Eselswirtin ihren neuen Schützling auf. Gehorsam folgte ihr Elisabeth nach draußen und in das kleine Häuschen hinüber, das kaum zwanzig Schritte entfernt am Rand des alten Judenfriedhofs zwischen ein paar knorrigen Apfelbäumen stand. Brombeeren rankten sich an bröckeligen Lehmwänden empor. Else schob die junge Frau auf einen Schemel und eilte um die Flechtwand herum. Sie öffnete ihre Truhe, wühlte zwischen Hemden, Röcken und Miedern. Einen Moment wog sie das Medaillon in den Händen, das die beiden Männer, die Elisabeth gefunden hatten, ihr überlassen hatten. Dann verstaute sie es wieder sorgfältig. Mit einem farbigen Kleiderbündel unter dem Arm kam sie in die Hauptkammer zurück.
    »Hier, das ist dein Gewand, das du von nun an abends anziehen wirst. Pass darauf auf, und sieh zu, dass es dir nicht gleich zerrissen wird!«
    Warum sollte sie ihre Gewänder zerreißen? Sie war doch kein Kind mehr, das sich in Scheunen herumtrieb oder auf Bäume kletterte! Die Worte des Protestes lagen ihr schon auf den Lippen, doch dann schwieg Elisabeth lieber und ließ sich von der Wirtin aus ihrem einfachen Rock und dem langen Leinenhemd helfen. Dafürzog Else ihr ein gelbes aus dünnem Stoff an, das kaum bis zu den Knien reichte. Die Ärmel bauschten sich um die Ellenbogen. Vorn fiel der geschlitzte Stoff auseinander und entblößte das weiße Dekolleté. Elisabeth raffte errötend den Stoff zusammen. »Hast du vielleicht einen Fürspan oder eine Fibel für mich?«
    Die Wirtin schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Nun bück dich, dass ich dir in den Rock helfen kann.«
    Sie warf das Gewand aus einem bestickten, grünen Stoff über ihren Kopf. Der Rock war noch tiefer ausgeschnitten als das Hemd, und man konnte ihn unter dem Busen schnüren, was die Wirtin auch tat, und zwar so eng, dass Elisabeth aufstöhnte. Ihre Brüste bildeten nun zwei pralle Hügel, von gelbem Stoff und einerbestickten Borte umrahmt, als wären sie ein Präsent, das besonders geschmückt dargeboten wurde. Der Rock fiel in reichen Falten bis zu den Knöcheln, die Ärmel dagegen waren eng und kurz, sodass sich der gelbe Stoff des Hemdes über den Oberarmen aufbauschte.
    »So kann ich nicht gehen!«, entrüstete sich Elisabeth und sah erst auf ihren Busen und dann auf ihre nackten Unterarme und die ebenfalls entblößten Knöchel herab.
    »Doch, das ist genau richtig«, sagte die Meisterin bestimmt und rückte eine Lampe heran. »Und nun halte still, dass ich ein wenig Farbe in dein blasses Gesicht bringen kann.«
    In Elses Häuschen gab es keinen Spiegel, doch Elisabeth hatte die anderen Frauen gesehen, und so wollte sie nicht aussehen! Das war nicht richtig - nicht anständig!
    »Bitte nicht«, wehrte sie schwach ab.
    Die Wirtin umfasste Elisabeths Handgelenke so hart, dass es schmerzte. »An eines kannst du dich gleich gewöhnen«, herrschte sie die junge Frau an. »In meinem Haus wird das getan, was ich sage, und zwar ohne Widerworte. Solange du hier wohnst und an meinem Tisch isst und Kleider aus mei ner Truhe trägst, wirst du dich danach richten. Und nun halt still! Ich kann nicht ewig die Zeit mit dir vertrödeln. Wer weiß, ob es drüben nicht schon wieder drunter und drüber geht, wenn ich nicht da

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