Die Dirne und der Bischof
deine Schulden, die du bei mir abarbeiten musst. Wenn du dich weigerst, dann übergebe ich dich dem Henker. Der wird dich dann eine Weile im Turmverlies schmoren lassen, bis du es dir anders überlegst.«
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen zog Elisabeth das Blatt zu sich und sah auf die Liste herab, die trotz der kurzen Zeit schon erstaunlich lang war. Hemd undeinfacher Rock, die Kleider, die sie am vergangenen Abend getragen hatte, Beinlinge und Schuhe, Essen, ihr Anteil an Fackeln und Ölleuchten, das Bett und natürlich die Münzen, die der Bader gefordert hatte, wobei sie sich nicht vorstellen konnte, wofür er so viel verlangt haben sollte.
Langsam sah sie auf und betrachtete das Gesicht der Meisterin, die siegessicher dreinblickte. »Ich werde dir dein Geld zurückgeben, das verspreche ich! Ich werde schon einen Weg finden, es aufzutreiben. Du kannst auf mein Wort vertrauen.« Else lachte spöttisch. »Das Wort eines Wesens, das nicht einmal eine Familie oder eine Vergangenheit hat? Das ist ein bisschen wenig. Nein, mein Täubchen, du wirst schon hierbleiben müssen, bis du deine Schulden beglichen hast. Dann kannst du tun und lassen, was du willst.« Else raffte die Papiere zusammen und trug sie in ihr Häuschen zurück. Niedergeschlagen blieb Elisabeth am Tisch sitzen, den Kopf in beide Hände gestützt.
Je näher der Abend kam, desto stürmischer klopfte ihr Herz. Ihre Hände fühlten sich schweißig an, und sie merkte, dass auch ihr Hemd unter den Achseln feucht wurde. Die Angst schien sie wie Nebel einzuhüllen. Gehetzt sah sich Elisabeth um, als die Frauen begannen, ihre Gewänder für die Nacht anzulegen. Gret trat zu ihr, die farbigen Kleider in der Hand.
»Zieh es an«, sagte sie. »Es ist nicht ratsam, die Meisterin zu verärgern. Noch hat sie dich geschont, aber ich fürchte, ihre Geduld wird bald ein Ende haben.«
Elisabeth zögerte, entschied sich dann aber doch zu gehorchen und überließ sich Grets Händen, die kraftvoll, aber nicht grob waren. Jeanne kam herüber, kämmte ihr Haar und bemalte ihre Lippen.
»Du bist wunderschön«, sagte sie voller Bewunderung, und obwohl sich Elisabeth dagegen sträubte, fühlte sie sich dennoch geschmeichelt.
Bald schon trafen die ersten Männer ein. Die Stimmung und die Wärme stiegen. Wie gestern versorgten die Frauen die Gäste mit Wein und Brot, scherzten und würfelten mit ihnen und zogen sich immer mal wieder mit einem von ihnen auf ein Bett oder die Matratzen zurück. Ein fetter Kerl, der beim Würfeln ständig verlor, zog Mara rittlings auf seinen Schoß. Er schob ihre Röcke und seinen Wams hoch und öffnete die Bruech. Elisabeth konnte sein aufgerichtetes Geschlecht sehen, ehe er Maras nacktes Hinterteil darüberschob. Sie bewegte sich sacht hin und her. Er trank seinen Becher leer, dann schloss er die Augen und grunzte. Der leere Becher fiel in die Binsen.
Elisabeth saß im dunkelsten Eck auf einem Schemel und versuchte, ihren Blick starr auf den Boden gerichtet zu halten und weder auf die Worte noch auf die Geräusche um sich zu achten. So wäre ihr beinahe entgangen, wie einer der Gäste, der ein wenig nachlässig gekleidet war, den die Meisterin jedoch mit »Junker« ansprach, zu Else trat und auf die blonde Frau im tiefen Schatten deutete.
»Gib mir die Neue dort mit dem honigblonden Haar, sie scheint ein wenig trübsinnig zu sein. Es gelingt mir bestimmt, sie aufzuheitern!« Er kramte in seinem Beutel. Die Meisterin wiegte zögernd den Kopf hin und her.
»Ich weiß nicht, ob sie etwas für Euch ist.«
»Warum?«
»Sagen wir, sie ist zu jung.«
Der Junker sah erstaunt in Elisabeths Richtung. »Mir scheint, sie hat schon mehr Sommer gesehen als Anna, und ich versichere dir, unser gut genährtes Mäuslein schafft es durchaus, einem Mann einzuheizen.«
»Nun, ja, ich meine...« Else suchte nach Worten. »Was, wenn sie noch von keinem Mann berührt worden wäre?«
Der Junker grinste. »Eine Jungfrau in deinem Haus? Du machst mir Spaß, Else!«
»Ich schwöre es, Ritter von Thann! Als ich am Sonntag nachsah, war sie es noch, und seitdem habe ich sie gehütet wie meine Geldschatulle.«
Der Ritter neigte den Kopf. »Dann konnte nicht einmal ein unsichtbarer Dämon Hand an sie legen! Aber sag mir, Meisterin, ist es dir nicht untersagt, Jungfrauen feilzubieten?«
»Habe ich sie Euch angeboten? Ich kann mich nicht erinnern. Ihr begehrt sie, aber ich habe nicht zugesagt«, stellte die Wirtin richtig.
Das Grinsen des Mannes wurde breiter.
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